Vorschlag der IHK:Mehr Umland für München

Blick auf München, 2011

Blick auf die Münchner Innenstadt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Industrie- und Handelskammer will die Region München neu definieren: als Großraum zwischen Augsburg und Landshut, von Ingolstadt bis an die Alpen. So soll der Zuzug besser bewältigt werden.

Von Katja Riedel

Er wolle einen dicken Stein ins Wasser werfen, so kurz vor der Kommunalwahl, sagt Peter Driessen an diesem Freitag, gut vier Wochen, bevor die Wähler auch in den Städten und Gemeinden in Südbayern ihre Kreuzchen machen werden. Der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern (IHK) hat sich für seine Einlassung auch tatsächlich den größten Brocken gesucht, der sich finden lässt: das Wachstum des Großraums München bis 2030 und mögliche Lösungen dafür.

Diesen Großraum will Driessen neu definieren, das ist der harte Kern des umfangreichen Konzeptes, das sein Wirtschaftsverband vorgestellt hat: Der Regionale Planungsverband soll künftig nicht mehr nur für die eigene Region Nr. 14 zuständig sein, sondern für den tatsächlichen Großraum München. Und der, so der IHK-Chef, umfasse Teile von fünf solcher Planungsregionen. Deren Zuschnitte sind gesetzlich festgelegt, 18 gibt es insgesamt in Bayern. Zudem solle dem Regionalen Planungsverband (RPV), der für die nach Driessens Ansicht längst überholte 14er-Region zuständig ist, "neues Leben eingehaucht werden". Mit mehr Geld, mehr Personal, mehr Macht - und dem nötigen Fingerspitzengefühl dafür, nicht zu sehr in die kommunale Planungshoheit einzugreifen, sondern die Kommunen auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Damit sagt Driessen indirekt, was mancher in den Kommunen ohnehin denkt: Dass der RPV aktuell ziemlich tot sei.

"Konzeptregion" hat die IHK die neue Metropolregion behelfsweise getauft, die faktisch an dessen Stelle treten soll und eine "starke Stadt-Umland-Gemeinschaft" werden soll. Sie erstreckt sich zwischen Augsburg und Landshut, zwischen Ingolstadt und dem Alpenrand. Und ihr soll die Staatsregierung in ihrem Landesentwicklungsplan Motivationsinstrumente geben, welche auch wachstumskritische Gemeinden überzeugen könnten mitzumachen. Zum Beispiel brauche es Wege, um vorrangig an Fördertöpfe zu kommen, aus denen die Kommunen dann gemeinsam und möglichst rasch einen gemeinsamen Wachstumsplan entwickeln könnten - vor allem eine abgestimmte Siedlungs- und Verkehrsplanung. Sich selbst sieht die IHK nicht als Beobachter, sondern in einer herausragenden Rolle: als Moderatorin. Auch eine neu gegründete Stiftung könnte den Prozess moderieren. "Die IHK möchte diese Rolle gern übernehmen", sagte Driessen.

Kritik an der Stadtspitze

Charmant sind die IHK-Vorschläge auch deshalb, weil sie gar nicht allein von der IHK stammen, sondern von dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Bulwien Gesa, das auf die Immobilienbranche spezialisiert ist. Bulwien Gesa und seine Münchner Niederlassungsleiterin Heike Piasecki sind intime Kenner der Gemengelage im Großraum. Zuletzt nämlich hat Piasecki bei den großen Siedlungsstudien der Landeshauptstadt und anderer Kommunen stets das Datenmaterial geliefert. In die IHK-Studie und die dort nachzulesenden Handlungsempfehlungen an die Politik dürfte so manche Erkenntnis aus diesen hochsensiblen Kommunikationsprozessen eingeflossen sein. Deutlich herauszulesen ist auch die Kritik an der bisherigen Rolle der Stadtspitze. Der Münchner Oberbürgermeister müsse das Interesse der gesamten Region im Blick haben und die Kollegen im Umland besser in die Planung einbeziehen, sagte Driessen.

Einen zentralen Punkt der Studie nimmt die Verkehrsplanung ein, die die IHK als Grundvoraussetzung dafür sieht, um neues Bauland zu erschließen. So soll Wohnraum für gut 260 000 Menschen geschaffen werden. Der MVV müsse erweitert, auf andere Städte ausgedehnt und um neue Verbindungen zwischen den S-Bahn-Ästen ergänzt werden. Bei der Finanzierung dieser neuen Verbindungen im Außenraum müssten Kommunen auch bereit sein, selbst einen Beitrag zu leisten, fordert die IHK. Der MVV brauche zudem neue Partner, Expresslinien und ein neues Tarifsystem, heißt es in dem Forderungskatalog. Zusätzlich zu neuen Knotenpunkten müsse auch die bestehende Verkehrsinfrastruktur im Zentrum gestärkt werden, etwa durch den Bau der zweiten Stammstrecke.

Um all diese Ziele zu erreichen, wünscht sich die IHK ein Umdenken: weniger über das Wachstum jammern, sondern anpacken. Schließlich sei die Bevölkerung im Großraum in den vergangenen 17 Jahren um 440 000 Menschen gewachsen. So gesehen brächten 260 000 weitere Neu-Münchner die Region nicht an die Grenzen des Wachstums, sondern könnten der Wirtschaft helfen, die Fachkräftelücke zu schließen.

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