Süddeutsche Zeitung

Vorschau:Nachbarschaftlich

Die neue Saison des Münchener Kammerorchesters

Von Rita Argauer

Bescheidenheit ist eine Tugend. Und dass davon ausgerechnet das Münchener Kammerorchester (MKO) in der derzeitigen Krise profitiert, überrascht nicht. Immerhin verzichten die Musiker des Orchesters schon länger auf zehn Prozent ihres Gehalt und bilden somit einen Rückhalt, der in solchen Situationen hilft. Doch nicht nur strukturell ist Bescheidenheit derzeit angesagt. Auch in der Präsentation von neuen Spielzeiten, von denen keiner weiß, in welcher Form sie stattfinden werden können, ist Bescheidenheit nicht falsch. Groß tönende Riesenkonzerte anzusagen, die dann im Herbst wieder abgeblasen werden müssen, hilft keinem.

Das MKO setzt also auch inhaltlich auf Nähe und Bedachtheit und präsentiert ein kleines, flexibles und flirrend spannendes Programm für 2020/21. Unter dem Motto "Nachbarn" werden in acht Abo-Konzerten verschiedene musikalische, geschichtliche und ideelle Nähen und Werte verstrickt. Ganz musikalisch mit dem Komponisten Jörg Widmann, der auch Gastdirigent und -solist ist und dessen instrumentelle Nähe zu Mendelssohn und Schumann am 21. Januar auf dem Programm steht. Geografischer wird das Nachbarschaftskonzept im April mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja: Stücke von Haydn, Ligeti, Janáček und Illés beleuchten die Gebiete Österreich und Ungarn. Ein Programm übrigens, das aus der gerade nicht laufenden Saison herüber gerettet werden konnte.

Ebenfalls geografisch, aber weniger populär wird es im Juni, wenn mit einem Werk Georg Katzers auch die Musik der DDR vertreten ist, bizarr sind die musikalisch-historischen Nicht-Gemeinsamkeiten von Hindemith und Strauss im März. Dörflich und beinahe folkloristisch erklingen hingegen die Streifzüge von Charles Ives durch "Three Places in New England", die als Saisonauftakt am 15. Oktober von Beethovens Pastorale und der Uraufführung eines Violinkonzerts von Beat Furrer gerahmt werden.

Hinzu kommen drei Komponistenporträts (Bryce Dessner, Chaya Czernowin und Mieczysław Weinberg), das Aids-Konzert, die Songbook-Reihe im Schwere Reiter, sowie Clubkonzerte. Und falls das alles nicht so stattfinden kann, gibt es Rückfall-Pläne. Kleinere Besetzungen etwa oder Stücke wie ein Trio von Górecki, das den Musikern als künstlerisches Konzept vorschreibt, von einander Abstand zu halten. Und bis dahin gibt es "MKO Delivery". Dieser musikalische Lieferdienst startete erfolgreich am Pfingstwochenende. Die Abonnenten können sich die Musiker dabei für ein kleines Ständchen vor die eigene Haustür bestellen.

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Quelle:
SZ vom 02.06.2020
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