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Andrea Lissoni stellt sein erstes Programm für das Haus der Kunst vor

Von Evelyn Vogel, München

Weniger eine Ausstellungshalle als vielmehr ein "Zentrum für zeit-genössische Künste", das soll das Haus der Kunst nach den Vorstellungen seines neuen Direktors, Andrea Lissoni, sein. "Anstatt dass die Menschen dreimal im Jahr zu Blockbustern kommen, sollen Jung und Alt lieber alle drei Wochen vorbeischauen, weil es immer etwas Neues zu entdecken gibt", wünscht sich Lissoni. Der 50 Jahre alte italienische Kunsthistoriker hat mitten im ersten Lockdown im April seinen neuen Posten als künstlerischer Direktor in München angetreten.

Dass sich sein Programm von dem seiner Vorgänger unterscheiden würde, war zu erwarten. Lissoni ist Hochschullehrer, war Herausgeber einer Zeitschrift und bis 2019 Kurator für Film an der Tate Modern. Film, Sound- und Medienkunst und sein Engagement für Künstlerinnen und Künstler verschiedenster Herkunft und Geschlechteridentitäten spielten in den von ihm kuratierten Programmen eine wichtige Rolle. Dies soll im Haus der Kunst nun ein Musikprogramm tun. Monatlich werden internationale Künstlerinnen und Künstler zu Kurzaufenthalten eingeladen. Versprochen werden "Klangerlebnisse" die sich über verschiedene Räume und Ebenen der Museumsgalerien verteilen. Mit den "HDK Summer Sessions" will Lissoni eine Schnittstelle schaffen zwischen Bildender Kunst, Musik und Tanz. An zwei Wochenenden sind die Aufführungen von Filmen, Musik- und Tanzperformances sowie audiovisuellen Auftragsarbeiten geplant.

Nur vier Ausstellungen soll es in diesem Jahr geben. Und das hat nicht nur mit der Unsicherheit wegen Corona zu tun. Lissoni will jede einzelne zu einem Statement machen. "Ein Blockbuster sollte nicht deswegen einer sein, weil man die Namen der Künstler kennt, sondern weil die Besucher die Ausstellung zu einem Blockbuster machen", lautet sein Credo.

Und so eröffnet das Haus der Kunst sein Ausstellungsprogramm im März mit einer weiblichen Stimme: der großen Retrospektive "Frontier" zum Werk der britischen Bildhauerin Phyllida Barlow, die mit ihren skulpturalen Gebilden die Räume erobern wird (bis 25. Juli). Es folgt die Ausstellung von Felix Brenner, Andreas Maus und Kar-Hang Mui. Sie sind die "Euward"-Preisträger der Augustinum Stiftung, die Künstler im Kontext von geistiger Behinderung auszeichnet (30. April bis 27. Juni). Man wolle die Euward-Preisträger "aus der Nische" holen und ihnen zu mehr Sichtbarkeit und Anerkennung verhelfen, sagt Lissoni. Körperbetont soll es zugehen, wenn am 11. Juni die Gruppenausstellung "Sweat" eröffnet, die sich den Strategien des Widerstands widmet (bis 9. Januar). Eine weitere weibliche Position beschließt das Jahresprogramm: Heidi Buchers Ausstellung "Metamorphosen" (17.9. - 16.1.). Bucher ist eine feministische Vertreterin der internationalen Neo-Avantgarden, deren skulpturale Latex-Arbeiten die Kunst der Moderne mit der unserer Gegenwart verbindet.

Das Dauerthema Sanierung des Hauses der Kunst liegt derzeit auf Eis, dem Staat fehlt das Geld. Dem Haus der Kunst wegen fehlender Mieteinnahmen von P1 und Goldener Bar übrigens auch. Lissoni will die Pause nutzen, um "die Institution anders zu denken". Er selbst will endlich sein Deutsch auffrischen. Weil man im Shutdown hängen gebliebene Ausstellungen abwickeln und neue digitale Formate und Programme entwickeln musste, blieb selbst im Pandemiejahr keine Zeit für einen Sprachkurs.

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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