Die Traditionspflege kann ja gar nicht früh genug beginnen - wie auch sonst sollte der erwachsene Bayer wissen, wie es auf einem Volksfest zugeht und wie er sich dort zu verhalten hat, wenn er nicht schon in der Kindheit und der Jugend herangeführt wird an die bajuwarische Form des Feierns?
Eltern, die sich dieser besonderen pädagogischen Verantwortung bewusst sind, waren bisher angewiesen auf Angebote der Volksfest-Beschicker, meistens unter dem Namen "Kindernachmittag". Nun endlich liegt didaktisches Material vor, das schon zuhause eine Hinführung zum Thema erlaubt - sowohl theoretisch wie auch in praktischen Übungen.
Das Büchlein "Meine ersten Wiesn-Lieder" versammelt in kindgerechter Form elf der bedeutendsten Opera bajuwarischen Musikschaffens und bietet dem Nachwuchs so die Gelegenheit, schon in frühen Jahren eine Beziehung zu dieser hohen Kunst aufzubauen. Daneben gewährt es ihm auch Einblicke in Philosophie und Grundlagen des Volksmusikwesens: "Wir wollen trinken, noch einen trinken / weil man die Sorgen dann vergisst", heißt es etwa in "Die Hände zum Himmel", Zweck und Reiz eines Bierzeltes kurz und bündig in zwei Zeilen zusammenfassend.
Der bekannte Singer/Songwriter Wolfgang Fierek ist mit seinem Lied "Resi, i hol di mit meim Traktor ab" vertreten, das eine Brücke spannt zur landwirtschaftlichen Vergangenheit Bayerns und somit auch weitergehendes Interesse des historisch interessierten Kindes erwecken mag. Internationalität beweist das Buch durch die Aufnahme von "Cowboy und Indianer (Komm, hol das Lasso raus)" und "Sierra madre".
München sucht den Wiesnhit:Aus einem Mund
Eingängig und tanzbar muss er sein, außerdem leicht zu merken: München wartet auf einen neuen Wiesnhit. Doch die Kapellmeister sind skeptisch, ob sie schon den richtigen Song gefunden haben. Einen Favoriten allerdings gibt es schon.
Die Verbundenheit mit den südlichen Nachbarn findet ihren Ausdruck in "Fürstenfeld" von STS und "Schifoan" von Wolfgang Ambros, das ja ebenfalls eine Verbindung schlägt zum vornehmsten Wesen des Volksfestes, dem Trinken: "Obn auf der Hüttn kauf i ma an Jagatee". DJ Ötzis "Anton aus Tirol" hingegen führt die Jugend sacht an die erotischen Möglichkeiten eines Volksfest-Besuchs heran: "Stoaka Bua, von dir kriag i net gnua, komm her und mochs mit mir, mein Tiroler Stier".
"In München steht ein Hofbräuhaus" passt zwar thematisch durchaus in den vorgelegten Kanon, jedoch fällt es zeitlich durchaus aus der ansonsten sehr heutigen Zusammenstellung heraus - unverständlich, warum ein fast 80 Jahre altes Lied aufgenommen werden musste, wo doch noch so viel modernes Liedgut zur Verfügung gestanden hätte. Schön hingegen, dass "Das rote Pferd" vertreten ist, und zwar in der Original-Version der Mallorca-Cowboys, nicht mit jenem weinerlichen Text, den ein gewisser Georges Moustaki sehr viel früher für eine gewisse Edith Piaf gedichtet hat.
Herzallerliebst illustriert ist das Büchlein von Jan Reiser, der Preis ist mit 9,90 Euro nicht zu hoch gegriffen. Zur multimedialen Verstärkung der Einübung in uralte bayerische Traditionen ist auch eine CD erhältlich, auf der alle Lieder aus dem Buch zum Mitsingen versammelt sind. Und wenn der Sohn oder die Tochter sich abends mit einem melodiösen "Oans, zwoa, gsuffa" ins Bett verabschiedet, dann wissen die Eltern: Wir haben es richtig gemacht - unser Kind wird ein Bayer.