Süddeutsche Zeitung

Voralpenland:Freizeit-Arena Brauneck

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Von Benjamin Engel, Lenggries

"Skilaufen, das ist für uns Münchner so etwas wie eine ansteckende Krankheit. Epidemisch um sich greifend, macht sie vor keinem Geschlecht, vor keiner Altersklasse halt ... Es ist noch gar nicht so viele Jahre her, da wurden auch die 'Lenggrieser' als neuer Geheimtip von Mund zu Mund gereicht. Ein Wort vor allem war es, das um die Herzen der Eingeweihten magische Ringe zog: das Brauneck ...". So enthusiastisch schrieb Ende der 1920er-Jahre ein Journalist über den 1555 Meter hohen Hausberg des Isar-Dorfes - damals ohne jede Bergbahn. Mit Gondeln ging es erstmals 1957 auf den Gipfel.

Parallel zum Wirtschaftsboom explodierte die Zahl der Lifte am Brauneck. In den 1960er-Jahren eröffnete fast jedes Jahr ein neuer. Als 1977 die erste Lokalausgabe der Wolfratshauser SZ erschien, surrten am Berg bereits 21 Lifte und Bahnen, transportierten rund 15 000 Skifahrer pro Stunde, erschlossen ein Gebiet vom vorderen Brauneck bis zum Idealhang unter dem Latschenkopf.

Die Brettlfans brauchten mit der 1924 neu eröffneten Eisenbahn etwa zwei Stunden bis nach Lenggries. Bis zum Bau der Gondelbahn ging es in zwei bis drei Stunden zu Fuß auf den Gipfel. Bis heute ist das Brauneck bei Münchner Ausflüglern beliebt. Mit der zunehmenden Modernisierung sind die Ansprüche gestiegen, wie Peter Lorenz, Geschäftsführer der Brauneck-Bergbahn erklärt. "Die Gäste wollen, dass die Pisten im Winter möglichst eben und top präpariert sind. Sonst beschweren sie sich und kommen womöglich nicht wieder." Daher gleicht die Pistenpflege mittlerweile einem High-Tech-Unterfangen. Drei von vier Pistenraupen der Brauneck-Bergbahn GmbH sind mit GPS-Schneehöhen-Messgeräten ausgestattet. Damit kann genau festgestellt werden, wie hoch das Weiß an jedem Punkt der Abfahrten liegt - so kann es gleichmäßig verteilt werden.

Ebenso helfen die Betreiber mit maschineller Beschneiung nach. Rund 130 Kanonen und -lanzen sprühen Schnee auf die Hänge - an der Garland-, der Weltcup-, Familien-, Ahorn und Waxensteinabfahrt, dem Lenggrieser Hang und den Pisten am Streidl-, Jauden- und Draxlhang. Mit Stromkosten von laut Lorenz etwa 80 000 bis 90 000 Euro Strom pro Saison. Seit 2012 gibt es einen bei Naturschützern umstrittenen Speicherteich mit 100 000 Litern Fassungsvermögen am Garlandhang.

Am hinteren Brauneckgebiet mit dem Finstermünzkessel, von der "Tölzer Hütte" bis zum Idealhang, wird noch nicht maschinell beschneit. Das liegt auch an den sechs verschiedenen Liftbetreibern - erst Ende der 1970er -ahre boten sie einen gemeinsamen Tagespass an - am Brauneck. Zur Bergbahn GmbH zählen die Gipfelbahn, der Garland- und Ahornsessellift sowie der Milchhäuslexpress vom Jaudenhang bei Wegscheid hinauf bis zur Kotalm. Der Sechsersessellift mit Sitzheizung wurde zur Saison 2014/15 gebaut, hat acht Millionen Euro gekostet und kann bis zu 2800 Personen pro Stunde befördern.

Zum Vergleich: Die erste Gipfel-Kabinenbahn schaffte rund 400 Personen in derselben Zeit, nach der Verlegung der Talstation näher an den Berg 600, und heute 800 Personen. 2001 wurden die alten durch neue Panoramagondeln ersetzt, 2004/05 die Bergstation umgebaut und ein Panoramarestaurant eröffnet. "Wir modernisieren das Skigebiet nach unseren Möglichkeiten, machen aber nicht alles mit", sagt Geschäftsführer Lorenz. So hätten die Almhütten ihren Charme weitgehend erhalten. Es gebe keine modernen Selbstbedienungsrestaurants. Auch im Sommer stiegen die Gästezahlen leicht.

Heute zieht das Brauneck zusätzlich zu Wanderern und Skifahrern auch Paraglider an. 200 bis 300 Mal starten die Gleitschirmflieger an Spitzentagen vom Gipfel, sagt Lorenz. Am Streidlhang im Tal existiert ein Bikepark, Gäste können mit dreirädrigen Bullcarts hangabwärts fahren. Ein Hochseilgarten steht neben der Kabinenbahn-Talstation, eine Sommerrodelbahn gibt es am Jaudenhang. Unter dem Stichwort "Freizeitarena" wird das Angebot vermarktet. Ob das zu viel ist? Lorenz beschwichtigt. "Das befruchtet sich gegenseitig." Laut Studien des deutschen Seilbahnverbands entstehen durch einen Arbeitsplatz an der Seilbahn 5,1 weitere - etwa in der Gastronomie oder im Einzelhandel. Er sei der Ansicht, dass sich der Tourismus vor allem auf bereits erschlossene Berge konzentrieren solle, sagt Lorenz.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2017
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