Prozess:Miese Masche mit wertlosen Teppichen

Prozess gegen mutmaßlich betrügerischen Teppichhändler

Wertlose Teppiche verscherbelte der Angeklagte für viel Geld.

(Foto: Axel Heimken / dpa)

Marco K. brachte einen 72-jährigen Architekten um fast 500 000 Euro. Das Geld gab er für teure Getränke und Glücksspiel aus.

Aus dem Gericht von Stephan Handel

"Es ist leider so, dass diese Dinge passiert sind", sagt der Angeklagte ganz am Anfang des Prozesses - aber je länger die Verhandlung dauert am Donnerstag vor dem Landgericht, desto mehr kommt heraus, dass Marco K., 35 Jahre alt, damit vielleicht gar nicht die Taten meint, die die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, gewerbsmäßiger Betrug, Schaden fast 500 000 Euro. Sondern sein ganzes Leben.

Die Straftaten, die die Anklage auflistet und die Marco K. gleich zu Beginn ohne Einschränkung gesteht, sind schnell erzählt: Er versuchte sich kurzfristig in der Selbständigkeit, nämlich mit einem Geschäft für Reinigung und Restauration von Orientteppichen. Dorthin wandte sich ein wohlhabender Architekt im Ruhestand, heute 72 Jahre alt, um die Dienste der Firma in Anspruch zu nehmen. Marco aber witterte offensichtlich ein besseres Geschäft: Er bot seinem Kunden an, dessen Seidenteppich nicht zu reinigen, sondern ihn gegen einen höherwertigen einzutauschen, einen Ghom-Wollteppich. Dafür müsste er auch nur 10 000 Euro draufzahlen.

Das tat der Pensionär und kaufte in der Folgezeit vier weitere Teppiche für noch einmal 18 000 Euro. Den ersten Teppich, den tauschte er später noch einmal gegen einen anderen, wieder gegen eine Aufzahlung von dieses Mal 9500 Euro. Bei aller Lust am Besitz von Teppichen - sehr fachkundig war der Geschädigte offensichtlich nicht: Alle Stücke, die er kaufte, waren das Geld nicht wert, "von schlechter Qualität, nahezu wertlos", schreibt die Anklage.

Immer wieder bat K. den Mann um Geld

Der Architekt aber hatte Vertrauen zu seinem Teppichhändler gefasst. So half er ihm, als Marco K. ihm sagte, er brauche 36 000 Euro, um eine Ausstellung zu organisieren, er gab 16 000 Euro, als Marco K.s Schwester angeblich von ihrem Mann verlassen worden war und Unterstützung benötigte, weitere 100 000 für schon wieder eine Teppichausstellung, 13 000 Euro für einen Flyer, 60 000 Euro für eine Eigentumswohnung und 45 000 Euro, um verpfändeten Familienschmuck auszulösen.

Im August 2018 schließlich wurde K. endgültig zu gierig: Er log seinem Opfer eine Geschichte vor: 2,25 Millionen Franken lägen in der Schweiz bereit, er bräuchte 60 000 Euro, um sie nach Deutschland zu transferieren. Die bekam er, aber kaum vier Wochen später drängte er erneut auf Geld. Dieses Mal sollten es 280 000 Euro sein, die finanziert werden sollten über einen Kredit bei einer Versicherung - der dort zuständige Sachbearbeiter wird mittlerweile selber strafrechtlich verfolgt. Der Kreditvertrag war schon unterschrieben, aber die Bank des 72-Jährigen wurde misstrauisch und verständigte die Polizei, die K. festnahm.

Marco K. hat keine Berufsausbildung, kaum die Schule besucht, kann fast nicht lesen und schreiben. Aber trinken: manchmal drei Flaschen Kognak am Tag, "bis zur Bewusstlosigkeit", sagt er. Das ergaunerte Geld gab er gleich wieder aus, und zwar nicht für billigen Fusel aus dem Supermarkt: "Man wollte dann auch mal die beste Flasche auf dem Tisch stehen haben." Das Geld, das er nicht versoff, schmiss er in Geldspielautomaten. In der Verhandlung sagt er: "Ich möchte jetzt Hilfe, um mein Leben in den Griff zu bekommen." Die Richterin antwortet trocken: "Da müssen in erster Linie Sie einiges tun." Der Prozess wird fortgesetzt.

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