Prozess:Abgezockte Betrügerin, traumatisierte Seniorinnen

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Opfer der Betrüger am Telefon sind meist ältere Menschen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Mit einer Masche des Enkeltricks soll eine 25-Jährige mehrere Seniorinnen betrogen haben. Die Opfer leiden noch heute darunter.

Von Susi Wimmer

Agathe L. ist 86 Jahre alt, und hat in ihrem Leben schon einiges bewältigen müssen. Jetzt allerdings, nachdem sie einer Bande von Enkeltrickbetrügern zum Opfer fiel, muss sie erstmals therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. "Sie wirkte gebrochen", sagt ihre Tochter. Die Rentnerin hielt es alleine in ihrem Zuhause kaum noch aus, sie verlor das Vertrauen in die Menschen, "und in mich". Am Freitag sagte die Münchnerin vor dem Landgericht München I aus und sah der Frau ins Gesicht, der sie vor einem Jahr ihren Schmuck im Wert von rund 50 000 Euro übergeben hatte. Geht es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft, soll die angeklagte Sandra Z., 25, wegen Bandenbetrugs für fünf Jahre und vier Monate ins Gefängnis.

Die Maschen der Betrüger wechseln ständig, die Polizei warnt und trotzdem gelingt es den Verbrechern immer wieder, alte Leute mit Lügengeschichten um ihr Erspartes zu bringen. Im Fall von Agathe L. ( Name geändert) meldete sich am 14. Februar 2019 ein Mann am Telefon, der sich als ihr Schwiegersohn ausgab. "Ich hätte schwören können, dass er es war", sagt sie. Er erzählte etwas von einem Unfall in Hadern, an dem er schuld sei, und dass er sofort 34 000 Euro benötige. Da Agathe L. sagte, sie habe kein Geld im Haus, schwenkte er auf Schmuck um und hielt die Frau eine Stunde lang am Telefon hin, bis Abholerin Sandra Z. vor der Türe in Obermenzing stand. Sie sei die Sekretärin seines Rechtsanwalts, log der falsche Schwiegersohn am Telefon.

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"Mein Kopf hat immer Nein gesagt", berichtet Agathe L. "Aber mein Herz hat gesagt, dass ich ihm doch helfen muss." Erst am Ende des Gesprächs, als Sanda Z. schon mit dem Schmuck aus der Tür war, bemerkte sie den Schwindel, schrie den Mann am Telefon an "du hast mich betrogen!". Zu spät. Zwei Wochen lang wohnte Agathe L. völlig verängstigt bei ihrer Tochter. Sie kehrte in ihre Wohnung zurück, verbarrikadierte sich, fühlte sich unsicher, hatte Albträume. "Ich war fertig." Ihre Tochter sagt im Zeugenstand, sie habe ihre Mutter noch nie so verzweifelt und traurig gesehen. "Als ich direkt nach dem Anruf zu ihr fuhr, war sie körperlich noch kleiner geworden."

Sandra Z. hat noch einen weiteren Fall in Hilden gestanden und noch einen dritten in München, der allerdings im Versuch stecken blieb: Da hatte der Trickbetrüger, der aus einem Callcenter in Polen anrief, einen Senior mit den Worten: "Erkennst du deinen Sohn nicht mehr" begrüßt. Er und seine Frau hatten ihren Sohn allerdings sehr früh verloren. "Mein Mann stand unter Schock", sagte die 80 Jahre alte Frau bei ihrer Vernehmung. Er starb wenig später an einer Krebserkrankung. Sie leide seitdem unter einer extremen Angststörung, pflege alleine ihre behinderte Tochter und sitze abends nur mit Kerzenlicht in ihrer Wohnung. Sie verlasse nach Einbruch der Dunkelheit das Haus nicht mehr, öffne die Türe nicht, wenn es klingelt, "und einschlafen kann ich nur mit Hilfe von Tabletten".

Sandra Z. hat die Taten gestanden. Im Fall von Agathe L. jammert sie, sie habe nicht so viel Schmuck mitgenommen, wie die Frau angegeben hatte. "Denken sie, wenn es weniger Schmuck war, würde es der Frau heute besser gehen?", antwortet ihr der Vorsitzende Richter Markus Koppenleitner. Verteidiger David Mühlberger plädierte für eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Das Urteil wird in der kommenden Woche erwartet.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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