Vor der Landtagswahl:"Wir sind die ganz Bösen"

Vor der Landtagswahl: AfD-Landtagskandidat Wilfried Biedermann spielt an Wahlkampfständen gerne mit dem Image seiner Partei.

AfD-Landtagskandidat Wilfried Biedermann spielt an Wahlkampfständen gerne mit dem Image seiner Partei.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Münchner AfD spielt an ihren Wahlkampfständen ironisch mit der Außenseiter-Rolle - radikal wollen die Kandidaten vor der Landtagswahl nicht auftreten. Im Internet dagegen bedient die Partei immer unverhohlener das rechte Spektrum.

Von Martin Bernstein und Dominik Hutter

Die AfD kommt gut gelaunt daher. "Wir sind die ganz Bösen", ruft der Mann im buntkarierten Hemd den Passanten am Rosenkavalierplatz zu. Es ist als Scherz gemeint. Der Landtagskandidat Wilfried Biedermann spielt mit dem Image seiner Partei. Sein Mitstreiter Daniel Becker, der selbst nicht fürs Maximilianeum antritt, spricht die Leute schon mal mit der Frage an: "Sehe ich aus wie ein Nazi?" Die Reaktionen auf den blau-roten Infostand im Schatten der Hochhäuser fallen unterschiedlich aus. Einige Leute bleiben zum Gespräch stehen, eine Gruppe Senioren winkt angewidert ab. Wieder andere beschimpfen die freundlich und bürgerlich-verbindlich auftretenden Wahlkämpfer. Oder ignorieren sie, was aber nicht zwangsläufig an der AfD liegen muss.

"Verpisst euch", ruft ein junger Mann im Vorbeigehen, eine Frau drückt ihre Empörung über die Ereignisse in Chemnitz aus und die mindestens wohlwollende Duldung der dort marodierenden Hitlergruß-Zeiger durch die AfD. Becker sagt, dass man sich seine Mitdemonstranten nicht immer aussuchen könne. Dass bei den Linken ja auch Radikale mitmarschierten und dass die SPD schließlich Thilo Sarrazin in ihrer Mitgliederkartei führe. Das kann man durchaus als Distanzierung von radikaleren Kräften in der AfD verstehen - zwar fällt kein Name, es liegt aber nahe, dass der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke gemeint ist. Am Infostand in Bogenhausen geht es eher locker zu. Biedermann lächelt die Münchner an, diskutiert in kleiner Runde und bemüht sich um das klassische Wir-Gefühl zwischen Kandidat und Wähler. Der Aschheimer ist Fan des TSV 1860, und auf seiner Broschüre steht, das könne im Landtag nicht schaden.

Die AfD polarisiert, auch wenn sie in diesem Wahlkampf keineswegs eine Hauptrolle spielt. Denn neben dem bürgerlichen Gesicht, das beim Broschüren-Verteilen zu sehen ist, gibt es natürlich auch noch die vielen Plakate, die weniger nett daherkommen. Zum Beispiel die, auf denen "Sicherheit für unsere Frauen und Töchter" gefordert wird - man muss sich schon dumm stellen, um darin keine Pauschal-Verunglimpfung von Flüchtlingen und Zuwanderern zu erkennen. Oder die Breitseiten gegen den Islam ganz allgemein. Plakatwerbung mit der Keule. Und manchmal schwingen die AfD-Bewerber diese Keule auch verbal.

Im Fall von Uli Henkel leitete die Staatsanwaltschaft deshalb Vorermittlungen ein. Der Giesinger Kandidat, der sich gerne bürgerlich-gemäßigt gibt, hatte im Mai in einem Wahlkampfvideo gesagt, Afrikaner seien "enthemmt, wenn es um die Ausübung körperlicher Gewalt geht". Migranten aus Afrika sind für Henkel "vermutlich sogar noch gefährlicher für uns als die Menschen aus den Ländern Allahs". Henkels Kontrahent Florian von Brunn von der SPD ist auf den Clip aufmerksam geworden und hat bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, ob das Volksverhetzung sei. Es dauerte zwei Wochen, ehe das Staatsschutzkommissariat 44 die Anweisung erhielt, das Video zu sichern. Da war es dann schon gelöscht.

AfD-Kandidat Fuchert likt Hetzfilm auf Facebook

Die Außenseiterrolle, die die AfD am Infostand noch ironisch pflegt, spielt im Wahlkampf in München eine große Rolle. Die angebliche Ausgrenzung durch andere Parteien, etwa durchs Nichtvermieten von Bürgerhäusern oder die Nichtzulassung beim Corso Leopold, wird offensiv zur Sprache und auch vor die Gerichte gebracht. Mit der Folge, dass die AfD nun doch in die Bürgerhäuser darf. Was freilich angesichts einer allgemeinen Veranstaltungs-Sperrfrist drei Monate vor der Wahl keine Rolle mehr gespielt hat. Aber das dürften beide Seiten schon vorher gewusst haben. Beim Corso Leopold hingegen bleibt die AfD weiter außen vor. Stattdessen gab es einen Infostand in demonstrativer Nähe zum Straßenfest. Der wurde dann von Anti-Rechts-Protestlern belagert, die mit Putin-Masken und Plakaten mit der Aufschrift "AfDerjucken" dem Ganzen eine ironische Note verpassten. Von heftigen Protesten war der Auftritt von Beatrix von Storch auf dem Marienplatz begleitet.

Stimmung macht die AfD vor allem in den sozialen Netzwerken im Netz. Das belegen mehrere Stichproben, zuletzt am 9. Oktober. Auf den ersten Blick scheint es, als bewegten sich die Kandidaten dabei vorzugsweise in Parteikreisen: "Gelikt" werden die Seiten übergeordneter, benachbarter, manchmal aber auch weit entfernter Parteigliederungen; befreundet ist man mit anderen AfD-Kandidaten und mit den führenden Köpfen der Partei. Sogar die geschasste Ex-Vorsitzende Frauke Petry ist da noch dabei.

Doch dazwischen und immer unverhohlener wird das gesamte rechte Spektrum bedient. Geschichtsrevisionismus und Verschwörungstheorien, gewaltsame Umsturzfantasien und Antisemitismus, Verbindungen zu Personen und Organisationen, die wie die völkische "Identitäre Bewegung" vom Verfassungsschutz beobachtet werden, werden kaum noch kaschiert. So fordert ein Facebook-Freund gleich mehrerer Kandidaten "im Namen des Volkes" die Bundespolizei zum Umsturz auf: "Verhaftet endlich diese Regierung!" heißt es da wörtlich. "Schmiert die Guillotine mit Türannenfett (sic!)", fordern "Freie Patriotische Kräfte" aus dem Breisgau und lassen keinen Zweifel daran, um wessen Kopf es gehen soll - um den der Kanzlerin. Die Seite gefällt Bruno Fuchert, dem AfD-Stimmkreiskandidaten für München-Mitte. Unter schwarz-weiß-roter Flagge steht dort auch: "Jetzt geht's an die Fronten. Taten statt FB" (für Facebook). Ein Hetzfilm, der dem Münchner ebenfalls gefällt, zeigt, wie Politiker der demokratischen Parteien verprügelt werden, bis das Blut spritzt. Wilfried Biedermann "likt" die Seite eines rechten Bloggers, der sich "UruguayPeter" nennt. Dort in einer Fotomontage zu sehen: Merkels Grab - vergittert und mit dem Kommentar "Sicher ist sicher".

AfD-Kandiatin Wassil bemüht antisemitische Klischees

Auch die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg wird von AfD-Politikern im Internet in Frage gestellt. So bezweifelt Fuchert, ob es einen deutschen "Überfall" auf ein unschuldiges Polen gegeben habe. Mischa Bößenecker aus dem Stimmkreis Hadern behauptet, "die Saat des Zweiten Weltkrieges wurde schon in Versailles gelegt". Iris Wassill, Kandidatin in Ramersdorf, empfiehlt in einem Vortrag, der auf Youtube und in dem russischen Netzwerk vk.com verbreitet wird, ein in einem rechtsextremen Verlag erschienenes Buch zum Weltkrieg, das beschreibe, "wer da dahinter gesteckt ist" - US-Präsident Franklin D. Roosevelt nämlich.

Wassills Vortrag vom Februar 2016 bedient zudem antisemitische Klischees. In den gut 60 Minuten kommt das Wort "Jude" oder "jüdisch" zwar kein einziges Mal vor. Stattdessen raunt Wassill jedoch vom Einfluss der angeblich staatenlosen "internationalen Geldmachtelite", von "Schattenregierungen" und vom "Netzwerk" der Freimaurer. Der jüdische Milliardär George Soros steckt für Wassill hinter vielen Übeln dieser Welt bis hin zur Flüchtlingsbewegung des Jahres 2015, auch die "Gebrüder Rothschild" attackiert sie in ihrer Tirade. Ähnlich judenfeindlich denken mehrere Facebook-Freunde Fucherts und Bößeneckers, Fuchert selbst ist Mitglied einer Facebook-Gruppe, in der Merkel mit Hitler verglichen wird - mit einem Judenstern auf der Uniformmütze. Besonders auffällig ist eine antisemitische Hetzseite, auf der Hitler verherrlicht und Witze über den Mord an sechs Millionen Juden gerissen werden. Bößenecker gefällt sie.

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