Vor den Augen der Polizei:Pädophiler begeht Selbstmord

Ein 57-jähriger Mann hat sich während einer Durchsuchungsaktion in seiner Wohnung in Haidhausen aus dem Fenster gestürzt. Gegen Axel B., genannt "Charly", wurde wegen sexuellen Missbrauchs in 14 Fällen an sechs Mädchen zwischen sechs und elf Jahren ermittelt.

Von Claudia Wessel

Die erste Anzeige gegen ihn wurde erst im November 2004 erstattet, obwohl er mindestens seit 1994 Mädchen missbraucht hat. Als erstes ging die Mutter einer heute 16-Jährigen zur Polizei. Das Mädchen hatte der Mutter davon erzählt, dass Axel B. sie im Alter von acht Jahren im Jahr 1996 angefasst hatte.

Es folgten die Anzeigen von fünf weiteren Müttern. Daraufhin wurde vom Umfeld des Täters massiv Druck auf die Mütter ausgeübt. Wie genau, haben die Ermittlungen der Polizei bisher noch nicht ergeben. Auch wer und welche Ziele sich genau hinter dem "Aktionskreis" oder auch "Bärenkreis", in welchem Axel B. verkehrte, stecken, ist noch unklar.

Fest steht: Axel B. liebte Bären. Seine 40 Quadratmeter große Wohnung in der Haidhauser Belfortstraße sei voller Abbildungen von Bären gewesen, berichteten der Leiter des Dezernats für Sexualdelikte, Peter Breitner, und Staatsanwalt Christian Liebhart.

Mädchenfotos sichergestellt

Auch viele Mädchenfotos wurden sichergestellt, pornografisches Material allerdings beim ersten Durchschauen gestern früh nicht entdeckt. Da Axel B. allerdings mit dem Besuch der Polizei rechnete, vermuten die Ermittler, dass er vieles hat verschwinden lassen.

Seine Opfer fand B., indem er sich an alleinerziehende Mütter mit Töchtern heranmachte, denen er Kinderbetreuung anbot. Das Vertrauen zu "Charly" muss sehr groß gewesen sein, denn der Missbrauch fand laut Anzeigen entweder in den Kinderzimmern der Opfer oder aber bei dem Betreuer zu Hause statt.

"Er war sehr kooperativ"

Es war sechs Uhr früh, als die Beamten den Mann gestern aus dem Bett klingelten. "Er war sehr kooperativ", berichtet Liebhart. Man ließ ihn seinen Anwalt anrufen, der jedoch um diese Uhrzeit noch nicht zu erreichen war. B. fragte, ob er mitkommen müsse.

Die Polizei teilte ihm mit, es liege ein Haftbefehl gegen ihn vor. Daraufhin bat B., sich anziehen und ein paar Sachen zusammenpacken zu dürfen. "Nichts deutete darauf hin, was dann geschah", so Liebhart. B. ging in die Küche, ein Beamter folgte ihm im Abstand von etwa eineinhalb Metern.

"Dann sprang er plötzlich auf ein Sofa, das vor dem Fenster stand, riss das Fenster auf und stürzte sich hinaus." Der Beamte versuchte noch, ihn zu halten, schaffte es jedoch nicht. B. fiel aus dem vierten Stock in den Hof. Die Wiederbelebungsmaßnahmen des Notarztes konnten ihn nicht mehr retten.

Der Mann war sofort tot. Den Selbstmord hatte er offenbar geplant, seit er von den Anzeigen erfahren hatte. Die Polizei fand einen Abschiedsbrief, den er Ende letzten Jahres geschrieben und dann vor drei Wochen nochmals mit einem neuen Datum versehen hatte. "Ich habe schwere Schuld auf mich geladen" stand unter anderem darin. Die Polizei bittet Eltern, deren Kinder von "Charly" betreut wurden, sich zu melden.

(SZ vom 29.05.2005)

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