Vor 70 Jahren eröffnete NS-Propagandaschau:Anleitung zum Hass

Vor 70 Jahren ist im Deutschen Museum auf 3500 Quadratmetern die Ausstellung "Der ewige Jude" eröffnet worden. Sie gehörte zur antisemitischen Dramaturgie des NS-Regimes.

Mit diesem Tag bekam die Diffamierung der Juden durch die Nationalsozialisten eine neue schreckliche Dimension. "Es war der erste Schritt, die Bevölkerung auf breiter Front auf die Novemberpogrome ein Jahr später einzustimmen", sagt Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Am 8. November 1937 - vor genau 70 Jahren - wurde im Bibliotheksbau des Deutschen Museums in München auf 3500 Quadratmetern die Ausstellung "Der ewige Jude" eröffnet.

Vor 70 Jahren eröffnete NS-Propagandaschau: Mit diesem Plakat wurde 1937 für die Propaganda-Ausstellung "Der ewige Jude" im Deutschen Museum geworben.

Mit diesem Plakat wurde 1937 für die Propaganda-Ausstellung "Der ewige Jude" im Deutschen Museum geworben.

(Foto: Foto: ddp)

Zur Eröffnung kamen, neben lokalen NSDAP-Größen, auch Julius Streicher, Chef des antisemitischen Hetzblattes "Der Stürmer", und Propagandaminister Joseph Goebbels. "Möge die Schau dazu beitragen, die Kenntnis und die Erkenntnis des deutschen Volkes zu stärken über ein Problem, das im wahrsten Sinne ein Weltproblem ist", sagte Goebbels.

In 20 Sälen präsentierte die Ausstellung von Juden vermeintlich begangene Verbrechen, die "moralische Verkommenheit der Juden", ihren "zersetzenden" Einfluss auf das deutsche Volk - und befasste sich mit der "Lösung" der Judenfrage. "Es war eine rein denunziatorische Propagandaschau, die nur den Zweck hatte, ein wüstes Bild von Juden zu entwerfen, sie als Störenfriede, als Raffer, als Wucherer darzustellen", erläutert Benz.

Dabei seien alle judenfeindlichen Klischees bedient worden, die man überhaupt kenne. "Der Besucher sollte die Ausstellung verlassen mit dem Eindruck, er sei mit etwas Gefährlichem konfrontiert worden und müsse wachsam sein und dankbar, dass es jetzt eine Regierung gibt, die dieser Gefahr Einhalt gebietet", sagt der Historiker. Die Bevölkerung sei zum Judenhass animiert worden.

"Der Erfolg war nicht unbeträchtlich", betont Benz. Bis Ende Dezember 1937 hätten 321 000 Menschen die Schau besucht. Daraufhin sei sie bis Mitte Januar verlängert worden und habe es in München auf insgesamt 412 000 Besucher gebracht. Allerdings kamen viele nicht freiwillig, wie der Historiker Andreas Heusler vom Stadtarchiv München betont: Ganze Schulklassen und zahlreiche Militärangehörige seien zwangsweise durch die Schau "geschleust" worden. Im Spätsommer 1938 wurde die Ausstellung in der Wiener Nordwestbahnhalle gezeigt, wo sie binnen zweier Monate 350 000 Menschen besichtigten.

"Die Ausstellung war keineswegs ein lokales Münchner Ereignis, sondern eine Veranstaltung, die in den ganzen deutschen Herrschaftsbereich ausgestrahlt hat, während des Kriegs auch noch in besetzte Länder", sagt Benz. In Paris habe es eine ähnliche Schau gegeben, Spuren der Ausstellung seien auch in mehreren osteuropäischen Ländern zu finden gewesen. Und schließlich sei die Ausstellung "Der ewige Jude" eine Art Probelauf für den gleichnamigen Propagandafilm von 1940 gewesen.

Heusler betont, die Ausstellung habe in der antisemitischen Dramaturgie des NS-Regimes einen festen Platz gehabt: Sie habe zielgerichtet auf die Pogromnacht ein Jahr später zugeführt, so Heusler. Am Abend des 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Friedhöfe wurden geschändet, Tausende jüdischer Geschäfte zerstört und Wohnungen verwüstet.

Zur Ausstellung "Der ewige Jude" hält der Berliner Historiker Wolfgang Benz heute um 19.30 Uhr im Jüdischen Gemeindezentrum am St. Jakobs-Platz einen Vortrag.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: