Vor Gericht:Mieter klagt gegen das "System Vonovia"

Vor Gericht: Vonovia-Wohnungen an der Bauernfeindstraße in der Nähe vom U-Bahnhof Kieferngarten in Freimann.

Vonovia-Wohnungen an der Bauernfeindstraße in der Nähe vom U-Bahnhof Kieferngarten in Freimann.

(Foto: Catherina Hess)
  • Das Amtsgericht München verhandelt die Klage eines Mieters gegen den Immobilienkonzern Vonovia.
  • Der Vorwurf: Das Unternehmen betreibe ein Geschäft mit überhöhten und intransparenten Nebenkostenabrechnungen.
  • Falls der Kläger den Prozess gewinnt, erwägt der Mieterverein München eine Musterfeststellungsklage.

Von Julian Raff

Mit 400 000 Wohnungen ist die Vonovia Deutschlands weitaus größter Privatvermieter. Wenn sich ein Mieter mit dem Bochumer Konzern um 288,67 Euro streitet, wirken die Dimensionen fast grotesk verzerrt - und doch könnte die Klage des Freimanners Franz Obst vor dem Amtsgericht München ein Geschäftsgebaren juristisch dingfest machen, das Kritiker als "System Vonovia" bezeichnen. Das Unternehmen betreibe demnach ein lukratives Geschäft mit überhöhten, intransparenten Nebenkostenabrechnungen. Die strittigen Einzelbeträge lohnen für den einzelnen Mieter jeweils kaum einen Rechtsstreit. Sie könnten aber in der Masse der Wohnungen Milliardengewinne ermöglichen, falls der Konzern tatsächlich systematisch nicht erbrachte Leistungen abrechnen sollte.

In Freimann klagt Obst formal als einzelner Bewohner der Anlage an der Burmester/Bauernfeindstraße, tatsächlich aber im Namen der dortigen Mietergemeinschaft. Alarmiert hat die Mieter vor allem ein Kostensprung bei den Diensten des Vonovia-"Objektbetreuers" von 20 000 auf 60 000 Euro für die Gesamtanlage ab 2013. Im Folgejahr nahm Obst, in Absprache mit seinen Nachbarn und dem Mieterverein München, seine Abrechnungen unter die Lupe und entdeckte Unstimmigkeiten, vor allem bei den wöchentlichen Kontrollgängen des Betreuers. Unter anderem habe dieser nicht vorhandene Wasseruhren geprüft, oder Abwasser-Hebeanlagen im Vorbeigehen kontrolliert die unter verschraubten schweren Stahldeckeln liegen, alles dokumentiert in einem 18 882 Datensätze und rund 2 000 Druckseiten starken Leistungsverzeichnis.

Wie weit dessen Angaben aus seiner Sicht von der Realität abweichen, rechnete Obst beim mittlerweile dritten Verhandlungstermin anhand der Lichtschalter vor. Falls, wie abgerechnet, jeder Schalter geprüft - und dafür die Laufzeit der Schaltuhr abgewartet werde, dauere allein diese Prozedur über 20 Stunden - als einer von 21 Posten auf der Liste.

Hauptsächlich hatte das Gericht den Nachtermin zu einer Zeugenvernehmung vom Januar angesetzt, um nach dem einstigen Objektbetreuer auch noch die Mieterin Angela Hochmuth zu hören. Wie sie detailliert beschrieb, hatten die Bewohner des Hauses Burmesterstraße 8 im Jahr 2014 zwar eine wöchentliche Reinigung bezahlt, tatsächlich aber die von Krähen verwüsteten Müllcontainer-Plätze regelmäßig selbst gereinigt, um Ratten fernzuhalten. Für den Richter nebenbei eine Bayerisch-Lektion zum Begriff des "Ramadama", den das Protokoll nun zweisprachig als "Räumen tun wir" festhält.

Weniger Heiterkeit löste die 2014er Kostenaufstellung aus, mit der die Mieter nachträglich für ihre eigene Arbeit zur Kasse gebeten wurden. "Sind wir bloß die Deppen?", hätten sich Hausbewohner gefragt, nachdem sie "im luftleeren Raum" zu Schaufel und Besen gegriffen hatten, so Hochmuth. Die Hausmeister seien jedenfalls untätig geblieben, trotz diverser Nachfragen bei der Vonovia-Niederlassung Süd. Falls Obst den Prozess gewinnen sollte, erwägt der Mieterverein eine Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht. Alternativ könnte sich Stephan Immerfall, Leiter der Rechtsabteilung des Vereins, auch eine Reihe von ähnlich gefassten Einzelklagen vorstellen. Quasi in den Startlöchern sitzen dabei die Mieter einer Vonovia-Anlage in Neuried (Landkreis München). Ein Urteil ist für den 26. April vorgesehen, falls die Parteien keine Gutachten anfordern.

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