Vollversammlung:Gegen die ständige Rushhour

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Mehr Rad, mehr Busse und Bahn, weniger Auto: Der Stadtrat beschließt Grundsätze für eine Wende in der Verkehrspolitik. Was das konkret heißt, ist aber noch unklar

Von Andreas Schubert

Wie geht es im Jahr 2030 auf Münchens Straßen zu? Sollte die Stadt so weiterwachsen wie bisher und auch der Autoverkehr weiter zunehmen, wird es wohl auf eine ständige Rushhour hinauslaufen. Das will die Stadt aber unbedingt verhindern. Mit dem Bekenntnis zu einer Verkehrswende hat der Stadtrat am Mittwoch die ersten Weichen gestellt, dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Konkrete Vorschläge sollen noch im ersten Halbjahr dieses Jahres in den Stadtrat kommen. Bei diesen Vorschlägen soll es darum gehen, verstärkt auf umweltfreundliche Mobilitätsformen zu setzen und den öffentlichen Raum zugunsten von Fußgängern, Radfahrern und öffentlichen Verkehrsmitteln neu aufzuteilen. Es wird sich dabei um eine ganze Reihe verschiedener Einzelbeschlüsse handeln. In diesen wird es darum gehen, wie das System des öffentlichen Nahverkehrs zügig und effizient ausgebaut werden kann, etwa mit neuen Expressbus-Tangenten, Taktverdichtungen und neuen Busspuren. Auch soll der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zu einer verkehrsberuhigten Altstadt fassen.

Auf dem Begriff "verkehrsberuhigt" hatte die CSU bestanden, da - so die Argumentation von Manuel Pretzl, der CSU-Fraktionschef und Zweiter Bürgermeister in Personalunion ist - das zunächst in der Beschlussvorlage genannte Wort "autofrei" nicht der Realität entsprechen werde. Konkret geht es um das Tal und um die Dienerstraße; hier sollen Anwohner und Lieferverkehr sowie auch Busse und Taxis weiterhin die Möglichkeit zur Einfahrt haben.

Dass es mit den Maßnahmen so schnell nicht geht, wie sich das zum Beispiel die Grünen und die ÖDP wünschen, darauf wies Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hin. Zum Beispiel den Vorschlag der Grünen, schon im nächsten Jahr die Dienerstraße und das Tal "autofrei", also zur Fußgängerzone zu machen: Den Wunsch dämpfte der OB mit dem Argument, dass in den nächsten Jahren erst einmal die Lastwagen von der Stammstrecken-Baustelle am Marienhof über eben jene beiden Straßen fahren werden. Diese Routen wurden in der Baugenehmigung festgelegt. Eine neue Fußgängerzone wird es so wohl frühestens nach dem für 2026 vorgesehenen Abschluss der Bauarbeiten geben.

Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass an anderer Stelle der Autoverkehr deutlich reduziert wird, zum Beispiel in der Fraunhoferstraße. Bekanntlich fordern die Grünen schon seit Längerem, die Parkplätze dort zugunsten breiterer Radspuren zu streichen - eine Idee, der sich nun auch die SPD angeschlossen hat. So würde zwar der Durchgangsverkehr nicht ausgesperrt, wohl aber der sogenannte Park-Such-Verkehr auf Null reduziert.

In einem Antragspaket hat die SPD schon Ende Januar klargestellt, welche Richtung die Entwicklung aus ihrer Sicht nehmen soll, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Sie fordert etwa, das Carsharing auch auf die äußeren Stadtbezirke auszuweiten, Mobilitätsstationen in der ganzen Stadt aufzubauen oder die Bedingungen für Radfahrer zu verbessern. All diese Positionen vertreten auch andere Parteien, nur über das Wie und vor allem das Wann wird auch künftig noch debattiert werden. So zeigten sich die Grünen nach der Vollversammlung am Mittwoch enttäuscht und warfen dem OB und seiner SPD vor, bei der Verkehrswende eine "Vollbremsung" hingelegt zu haben, indem konkrete Ideen der Grünen - darunter Busspuren an der Donnersbergerbrücke oder der Wegfall von Autospuren zugunsten von breiten Fahrradspuren in der Lindwurmstraße - keine Zustimmung fanden. Konkrete Maßnahmen seien erneut nicht beschlossen, sondern zur Prüfung auf die "lange Bank des Planungsreferats" überwiesen worden.

Der Vorwurf an die SPD: Sie habe sich vom Bündnispartner CSU "einfangen" lassen. "Eine Mehrheit für die konkrete Einleitung der Verkehrswende wäre möglich gewesen", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Habenschaden. "Aber SPD und OB haben heute der Bündnistreue mal wieder den Vorzug gegeben vor der Fassung mutiger und notwendiger Beschlüsse."

© SZ vom 14.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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