Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt in Bayern:Volksbegehren "Mietenstopp" nimmt locker die erste Hürde

  • Ein breites Bündnis von Parteien und Verbänden will in Bayern in Orten mit einem "angespannten Wohnungsmarkt" Mieterhöhungen deutlich erschweren.
  • Dazu hat es ein Volksbegehren gestartet, das seit Oktober landesweit fast 52 000 Menschen unterschrieben haben.
  • Der Gesetzentwurf geht nun ans Innenministerium. Das muss prüfen, ob er verfassungsrechtlich in Ordnung ist.
  • Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) etwa sieht das nicht so: Für solche Fragen sei der Bund zuständig, nicht das Land Bayern, sagt er.

Von Sebastian Krass

Der erste Schritt zu einem möglichen Mieterhöhungsstopp in Bayern ist getan: 51 983 Menschen haben für das Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp" unterschrieben, wie das vom Mieterverein München angeführte Bündnis am Freitag bekannt gab. Die Landeshauptstadt als mit Abstand größter und teuerster Mietmarkt in Bayern steht im Mittelpunkt der Initiative. Insgesamt soll sie aber in 162 bayerischen Städten und Gemeinden mit "angespannten Wohnungsmärkten" gelten. Dazu gehören Dutzende Orte im Münchner Umland, wie auch die meisten anderen Zentren der bayerischen Regierungsbezirke.

Eine Kernforderung des Volksbegehrens ist, dass die Mieten in laufenden Verträgen sechs Jahre lang nicht erhöht werden. Das zweite zentrale Anliegen im Gesetzentwurf des Volksbegehrens ist, dass bei Wiedervermietungen und nach Modernisierungen künftig höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden darf. Ausgenommen vom so genannten Mietenstopp sollen alle Wohnungen sein, die seit 2017 neu entstanden sind - um Investitionen in den Neubau nicht zu bremsen. Außerdem sollen Vermieter, die bislang sehr wenig Geld verlangen, nicht bestraft werden. Sie sollen ihre Mieten auch während der Sechs-Jahres-Frist auf bis zu 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen dürfen.

Die hohe Zahl der Unterzeichner zeige, "wie groß die Not ist", sagte Beatrix Zurek, die Vorsitzende des Landesverbands Bayern des Deutschen Mieterbundes und des Münchner Mietervereins. Der "außer Kontrolle geratene Mietmarkt" müsse wieder stärker reguliert werden, "unser soziales Gefüge ist in Gefahr, wenn es so weitergeht". Die Landesvorsitzende der SPD, Natascha Kohnen, forderte: "Die CSU sollte diesen Notstand erkennen und handeln, statt schweigend daneben zu stehen."

Die Mindestzahl von 25 000 Unterschriften, die es in der ersten Phase - die offiziell "Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens" heißt - zu sammeln gilt, wurde also deutlich übertroffen. Die Initiatoren hatten im Oktober mit der Sammlung begonnen. Nun geht die Initiative in die nächste Phase: Das Innenministerium prüft, ob der Gesetzentwurf über das Mieterhöhungsverbot rechtlich zulässig ist - daran werden immer wieder Zweifel geäußert. So verschickte der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Freitag eine Mitteilung, in der er wiederholte, was er bereits im Oktober gesagt hatte: "Ein Landesgesetz, das die Mieten für Wohnungen auf dem freien Markt für sechs Jahre einfriert, ist verfassungswidrig. Denn die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund und nicht bei den Ländern." Um den Anstieg von Mieten zu bremsen, brauche es "die Schaffung von preiswertem Wohnraum und einen fairen Interessenausgleich zwischen Vermietern und Mietern". Eisenreich wirft den Initiatoren des Volksbegehrens vor, es sei "unseriös, den Bürgerinnen und Bürgern vorzumachen", dass man das Problem "durch einen Mietenstopp im Landesrecht lösen kann". Im Unterschied zum Justizministerium erklärte das Innenministerium am Freitag, es gebe "vorab keine Einschätzung" ab.

Beatrix Zurek vom Mieterbund findet Eisenreichs Wortmeldung ärgerlich, schließlich sei der Justizminister nicht zuständig für die Prüfung der Zulässigkeit. "Und nach unserer Rechtsauffassung muss der Gesetzestext zugelassen werden." Zurek beruft sich dabei auch auf den Bielefelder Juraprofessor Franz Mayer, der mit seinem Kollegen Markus Artz den Gesetzestext ausgearbeitet hat. "An der fehlenden Landeskompetenz wird der Mietenstopp nicht scheitern", sagt Mayer. Das Grundgesetz stehe dem nicht entgegen. Überdies sei es Sinn und Zweck des Föderalismus, "regionale Angelegenheiten angemessen zu regeln". Die Mietpreise in Bayern rechtfertigten ein Eingreifen per Landesgesetz.

Gibt das Innenministerium dem Antrag auf das Volksbegehren statt, dann müssen sich binnen zwei Wochen zehn Prozent der bayerischen Wahlbevölkerung in den Rathäusern eintragen, das entspricht ungefähr einer Million Unterschriften. Nimmt das Volksbegehren auch diese Hürde, muss der Landtag darüber abstimmen. Er kann es entweder unverändert übernehmen - so wie das zuletzt beim erfolgreichen Volksbegehren zum Artenschutz mit dem Kampagnentitel "Rettet die Bienen!" der Fall war - oder es kommt zum Volksentscheid, bei dem die Bevölkerung abstimmen darf, ob der Gesetzesentwurf in Kraft treten soll oder nicht. Der Landtag dürfte dann zusätzlich einen Alternativentwurf zur Abstimmung stellen.

Das Volksbegehren wird von einem breiten Bündnis getragen. Initiiert haben es neben dem Mieterverein, dem Mieterbund Bayern und der SPD auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Linke und das Aktionsbündnis "Ausspekuliert". Unterstützt wird es von vielen weiteren Verbänden und Parteien wie den Grünen.

Es gibt auch einen Zeitplan, wie es nun weitergehen soll: In der ersten März-Woche sollen die beglaubigten Unterschriften beim Innenministerium eingereicht werden. Das hat sechs Wochen Zeit für die Prüfung. Während dieser Zeit, nämlich am 28. März, soll es eine große Mieterdemo geben. Sollte das Innenministerium Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit haben, muss das Verfassungsgericht binnen drei Monaten entscheiden. Wenn das Volksbegehren für zulässig erklärt wird, folgt die zweite Phase, in der sich zehn Prozent der Wahlberechtigten eintragen müssten. Wenn es nach den Initiatoren geht, soll es im Frühsommer so weit sein.

Die Initiative aus Bayern steht zeitlich wie inhaltlich im Zusammenhang mit dem Gesetz über einen "Mietendeckel", den das Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet hat und gegen den schon Klagen angekündigt sind. "Wir sind intensiv mit dem Berliner Mieterverein im Austausch", sagt Beatrix Zurek. Allerdings gehe es dort vielmehr um Details. "Uns geht es ums Wesentliche. Wir wollten die wichtigen Sachen punktgenau regeln und uns nicht in Einzelheiten verlieren."

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