München:Jeder Fünfte unterschreibt Volksbegehren zur Artenvielfalt

Beginn des Volksbegehrens 'Rettet die Bienen'

Die Biene als Protestsymbol: Nicht nur zum Auftakt vor zwei Wochen warben kostümierte Aktivisten auf dem Marienplatz für das Volksbegehren.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)
  • Das Volksbegehren Artenvielfalt mobilisierte die Münchner.
  • 1000 Ehrenamtliche unterstützten die Initiatoren dabei, den Andrang zu bewältigen.
  • Vom 31. Januar bis zum 13. Februar konnten die Menschen bayernweit das Volksbegehren unter dem Motto "Rettet die Bienen" unterschreiben.

Von Thomas Balbierer und Dominik Kalus

Am vergangenen Freitagnachmittag lehnte Sigrid Preuss am Fischbrunnen am Marienplatz. Soeben war sie mit etwa 200 anderen Teilnehmern durch die Innenstadt marschiert, um auf das Insektensterben aufmerksam zu machen. In den Händen hielt die 67-jährige Münchnerin noch ihr Protestschild. Darauf zu sehen, na klar: eine Wildbiene. Dazu die Unterzeile: "Ich bin bedroht!" Auf die Frage, warum sie denn noch demonstriere, wo doch schon klar sei, dass das Artenschutz-Volksbegehren die Hürde von zehn Prozent der Wahlberechtigten nehmen werde, antwortete Preuss: Damit es in München nicht nur auf zehn, sondern auf 20 Prozent Zustimmung komme. Der Einsatz hat sich gelohnt. In der Landeshauptstadt haben am Ende 20,5 Prozent der Bürger das Begehren unterschrieben.

Darüber freut sich auch Claus Obermeier. Er ist Vorsitzender der Gregor Louisoder Umweltstiftung und ehrenamtlicher Sprecher des Münchner Aktionsbündnisses, das zahlreiche Vereine und Organisationen vereint. "Es gab kaum einen Stammtisch, an dem das Thema Artenvielfalt nicht diskutiert wurde", berichtet Obermeier über das große Interesse am Volksbegehren in München. Davon zeugte auch die Menschenkette, die sich in den vergangenen zwei Wochen täglich vom Rathauseingang über den Marienplatz schlängelte, weil so viele Münchner unterschreiben wollten.

"Die Leute haben uns von der ersten Minute an die Bude eingerannt", sagt Obermeier. Warum das Thema die Leute so bewegt? Der Umweltschützer glaubt, dass viele frustriert und wütend über die Naturschutzpolitik der vergangenen Jahre seien. Das sei auch an den hohen Anmeldungen Ehrenamtlicher abzulesen: Mit etwa 1000 Helfern hat das Bündnis den Andrang am Marienplatz und fünf weiteren Standorten gesteuert.

Eine dieser sogenannten Rathauslotsen war Julia Lindemann. Die 46-Jährige hat 19 Jahre lang für einen Konzern gearbeitet, bevor sie Ende des vergangenen Jahres kündigte und beschloss, sich stärker für die Umwelt zu engagieren. Sie plante die Schichten der Rathauslotsen und war auch selbst oft vor Ort, um den unterschriftswilligen Bürgern Orientierung zu geben. Ihr Team trug orangefarbene Warnwesten und informierte die Anstehenden zum Beispiel über die Wartezeit. Auch Lindemann spricht voller Euphorie von den vergangenen Tagen. "Viele hatten das Bedürfnis, etwas zu verändern", sagt sie mit Blick auf die große Resonanz bei den Bürgern. "99 Prozent der Menschen in den Schlangen waren erfüllt davon, etwas zu bewegen." Sie beobachtete einen großen Gesprächsbedarf unter den Leuten, stellt aber fest: "Sie waren besser informiert als vor einer Wahl."

Wie kann man einen derartigen Andrang erklären? Roland Quabis, Sozialpsychologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, fallen verschiedene Gründe ein. In der Stadt habe man eher die positiven Aspekte vor Augen, während die Gegenargumente der Landwirtschaft abstrakt blieben. Außerdem sei es in der Stadt leichter, eine Gruppendynamik herzustellen. "Die soziale Akzeptanz des Volksbegehrens ist in der Stadt viel sichtbarer", sagt Quabis. "Wer die riesigen Schlangen vor dem Rathaus sieht, schließt sich leichter selbst an."

In einer der Schlangen stand kürzlich auch Edward Obika. Der Bio-Imker aus Feldmoching führt seit 2010 den Familienbetrieb "Sizzerbees". Auf dem alten Bauernhof der Familie züchtet er Bienenvölker und stellt Honig her. "Aber der Honig ist nur der Bonus", sagt der Imker. Ihm gehe es vor allem um die Zucht der Tiere, deren Lebensraum bedroht sei. Weniger Pestizide, mehr geschützte Flächen für Pflanzen und Insekten - das sind die Gründe, warum Obika das Volksbegehren unterstützt.

Er glaubt nicht, dass der Erfolg der Initiative auf einen Hype zurückzuführen sei. Während er auf dem Marienplatz in der Schlange gestanden sei, habe er sich mit anderen Wartenden unterhalten. Sein Eindruck: "Die Leute wussten schon, warum sie unterschreiben." Außerdem, sagt Obika, sei es ja gar nicht so wichtig, dass man jedes Detail des Gesetzesentwurfs zum Artenschutz kenne. "Jetzt geht es darum, dass diskutiert wird, um eine gute Lösung zu finden."

Besserer Artenschutz auf städtischen Gütern

Es geht sehr herzlich zu bei Kommunalreferentin Kristina Frank am Valentinstag: Auf ihren Schuhen trägt sie seitlich aufgedruckte Herzen, sie verschenkt großzügig Honig und versucht mit dem Slogan "Ein Herz für Bienen" Sympathiepunkte zu sammeln. "Wir waren ziemlich erstaunt über die Stimmung in München und den großen Zuspruch zum Volksbegehren", sagt die CSU-Politikerin. Die Schlangen vor dem Rathaus hätten sie "nachhaltig beeindruckt" und gezeigt, wie wichtig das Thema Artenschutz den Münchnern sei.

Auf Gut Riem, einem der zehn städtischen Gutsbetriebe, stellte sie deshalb am Donnerstag mit Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU) neue Pläne des Kommunalreferats vor, um auf den städtischen Landwirtschaftsflächen die Artenvielfalt zu fördern. "Wir stehen mit den Stadtgütern schon vorbildlich da, aber aus Anlass des Volksbegehrens haben wir uns gefragt, was wir noch zusätzlich machen können", sagt Frank. Schon heute würden mehr als 30 Prozent der insgesamt 2814 Hektar städtischer Landwirtschaftsflächen ökologisch bewirtschaftet - damit sei die Stadt München der größte Ökobauer in Bayern, betont die Kommunalreferentin. Angelehnt an die Ziele des Volksbegehrens soll unter anderem der ökologische Landbau auf den eigenbewirtschafteten Flächen weiter ausgebaut werden. Außerdem sollen Wiesen ab 2020 nicht mehr vor dem 15. Juni und dann nur von innen nach außen gemäht werden, um Wiesenbrüter und Rehkitze zu schützen oder ihnen die Flucht zu ermöglichen. In neue Pachtverträge soll ein Glyphosat-Verbot geschrieben werden, alte Pächter wolle man in Gesprächen vom Verzicht auf das Pflanzenschutzmittel überzeugen. Feldgehölze und Hecken sollen nicht beeinträchtigt, der Grundwasserstand in Nass- und Feuchtgrünland nicht abgesenkt werden. "Wir wollen als Stadt München mit gutem Beispiel vorangehen und andere Bauern zum Nachahmen anregen", erklärt Frank. Ihr sei aber bewusst, dass die neuen Regelungen nicht nur den Mitarbeitern auf den Stadtgütern viel abverlangen, sondern auch Geld kosten, unter anderem wegen sinkender Erträge. Bisher kommen die Stadtgüter ohne Zuschüsse aus, das werde sich in Zukunft wohl ändern. "Ohne finanzielle Einbußen werden die Pläne nicht umzusetzen sein", sagt auch Manuel Pretzl. Trotzdem hoffe er auf eine breite Unterstützung im Stadtrat. Noch vor der Sommerpause wolle man dort eine Beschlussvorlage mit den angestrebten Maßnahmen einbringen. "Wir müssen hier als Stadt München zeigen, was möglich ist", sagt der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion. Imke Plesch

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