"Viva Frida Kahlo" in München:Aus Schmerz wird Schönheit

"Viva Frida Kahlo" in München: Als 360-Grad-Erlebniswelt umgeben den Besucher die Bilder von Frida Kahlo.

Als 360-Grad-Erlebniswelt umgeben den Besucher die Bilder von Frida Kahlo.

(Foto: Morris Mac Matzen/Viva Frida Kahlo)

In "Viva Frida Kahlo" im Utopia taucht man ein in einen Trickfilm über Leben und Werk der berühmten Künstlerin. Produziert hat das farbkräftige Spektakel die Münchner Konzert-Agentur Alegria.

Von Jürgen Moises

Am 17. September 1925 steigt Frida Kahlo mit ihrem Freund Alejandro Gomez Arias in den Bus. Kurz darauf ist ihr Leben ein völlig anderes. Denn der Bus knallt mit einer Straßenbahn zusammen. Die junge Frau erleidet mehrere Knochenbrüche. Eine Stoßstange durchbohrt ihr Becken. Und von nun an lebt Kahlo, wie sie es später nennen wird, auf dem "Planeten Schmerz".

In "Viva Frida Kahlo" im Utopia in München ist diese schicksalsträchtige Busfahrt zu sehen. Genauer: Man sitzt gewissermaßen mitten drin im Bus. Vorne sieht man den Fahrer, rechts und links die Fenster, hinter denen aber nicht die Häuser von Mexiko-Stadt, sondern Bild-Motive von Kahlo vorüberziehen. Auch der Bus ist von ihren Gemälden inspiriert. Man ist also komplett umgeben von Kahlos Welt. Eine totale Frida-Kahlo-Experience.

36 Projektoren übertragen den Film auf vier Raumwände und vier Stellwände

Eine "immersive Experience" nennt sich tatsächlich auch das gesamte Event, das noch bis zum 10. Februar in der ehemaligen Reithalle in Form von interaktiven Bildern und einem 45-minütigen 360-Grad-Trickfilm zu erleben ist. So könnte man es zumindest nennen. Dieser von 36 Projektoren auf vier Raumwände und vier Stellwände in der Mitte projizierte Film setzt sich aus knapp 140 Gemälden der berühmten mexikanischen Malerin zusammen.

Das heißt, fast alle ihrer 143 Gemälde inklusive der vielen ikonischen Selbstporträts sind zusammen mit historischen Fotos zumindest kurz zu sehen. Teilweise schweben sie wie in einer Bildergalerie nebeneinander. Manchmal sieht man nur eines und daraus gezoomte Details. Häufig geht das Ganze aber wild durcheinander.

Aus dem Off gibt es dazu Texte. Es sind Originalzitate der Künstlerin, die an einigen Stellen leicht verändert wurden. Gesprochen werden sie von einer Frauenstimme mit spanischem Akzent, die an die Synchronstimme von Salma Hayek aus dem Hollywoodfilm "Frida" erinnert. Auch einen Soundtrack gibt es. Dieser wurde von Silvio Buchmeier zusammen mit Musikern wie Manuel Montero arrangiert, greift unter anderem auf Astor Piazzolla, Jazz oder südamerikanische Musik zurück und ist auch auf bekannten Streaming-Plattformen erhältlich. Er ist also nicht als bloßer Begleitschmuck gedacht. Was sich vielleicht dadurch erklärt, dass "Viva Frida Kahlo" von der Alegria Konzert GmbH entwickelt wurde.

"Viva Frida Kahlo" in München: Natürlich hat man auch daran gedacht, die Ausstellung Instagram-tauglich zu gestalten.

Natürlich hat man auch daran gedacht, die Ausstellung Instagram-tauglich zu gestalten.

(Foto: Morris Mac Matzen)

Die Münchner Agentur machte in den vergangenen Jahren vor allem durch Filmmusikprojekte wie "Disney in Concert" oder die Live-Inszenierung der "Herr der Ringe"-Trilogie von sich reden. Hinzu kamen Formate wie "The Sound of Quentin Tarantino" oder Tourneen mit Jonas Kaufmann, London Brass oder dem International Festival Ballet. Außerdem gibt es enge Verbindungen zur Klassik-Agentur MünchenMusik. Geschäftsführer ist in beiden Fällen Andreas Schessl.

"Viva Frida Kahlo" wurde von seinem Sohn Nepomuk Schessl produziert. Wie es dazu kam, dass die Schessls nun auch immersive Kunst-Events präsentieren? Durch Corona, erzählt Nepomuk Schessl. Denn wie bei anderen Veranstaltern kam auch bei ihnen viel ins Stocken. Nur war der Impuls nicht, das Bestehende zurückzufahren, sondern: Wir probieren etwas Neues aus.

Das mag durchaus gewagt erscheinen. Aber ihnen war klar, so Schessl: "Das muss man machen." Und wie es aussieht, haben sie dabei auch richtig groß gedacht. Denn parallel zu "Viva Frida Kahlo" ist aktuell mit "Monets Garten" in Wien, Stuttgart, Hamburg und sogar New York City eine weitere 360-Grad-Ausstellung zu sehen. Am 27. Januar wird außerdem "Klimts Kuss - Spiel mit dem Feuer" in Berlin starten. Und "Viva Frida Kahlo" wurde bis vor neun Monaten erfolgreich in Zürich gezeigt. Die Idee: Bisher noch Unbeleckte auf unterhaltsame und trotzdem informative Art an bedeutende Künstler und ihr Werk heranzuführen. Und vielleicht auch Eingeweihten noch die eine oder andere neue Perspektive zu eröffnen. In Kurzfassung: "Edutainment".

"Viva Frida Kahlo" in München: Keine halben Sachen: Hier kann man sich dem Bilderrausch hingeben.

Keine halben Sachen: Hier kann man sich dem Bilderrausch hingeben.

(Foto: Morris Mac Matzen)

Ein Konzert- und Tournee-Veranstalter, der parallel Ausstellungs-Events macht: Das ist andererseits nichts Neues. So schickt etwa Semmel Concerts Musiker wie Andreas Gabalier oder Roland Kaiser durchs Land, hat aber auch die 3D-Simulation "Tutanchamun" oder eine Ausstellung zu Streetart gemacht. Im kommenden April werden sie die Ausstellung "Disney100" in der kleinen Olympiahalle präsentieren. Und mit "Van Gogh Alive" von Last Bullet Productions war im Utopia vor einem Jahr auch schon ein ähnliches Multimedia-Event zu Gast. Das bot vor allem für Instagram viel Material. Daran hat man auch bei "Frida Kahlo" in Form von Spiegel-Boxen gedacht. Aber für Schessl besteht der Unterschied darin, dass sie darüber hinaus wirkliche Inhalte vermitteln wollen.

Dafür gibt es eine Timeline mit wichtigen Daten. Man bekommt mit, dass Kahlo eine starke, selbstbewusste Frau war. Ihre schwierige Ehe mit dem Maler Diego Rivera ist ein Thema. Auch über den künstlerischen Aufbruch nach der mexikanischen Revolution in den 1910er Jahren erfährt man was. Man sieht und hört, wie Kahlo den Tod verspottet und den "Schmerz in Schönheit verwandelt" hat. Das bezeugen natürlich vor allem ihre Bilder, von denen die meisten Originale Mexiko nicht verlassen dürfen. Um sie nun virtuell darstellen zu können, hat sich Alegria, so Schessl, die Bildrechte von dort geholt hat.

In diesem Umfang sei das noch keinem europäischen Veranstalter gelungen. Und die Auflage war: Dass wirklich ernsthaft damit umgegangen wird. Was in der Show durchaus passiert. Gut, wenn beim Finale die Melonen rollen und Skelette tanzen, gleicht das schon einem visuellen Overload. Ansonsten vergehen die 45 Minuten relativ kurzweilig. Man ist danach mit Kahlos kräftigen Bildern und Zitaten angefüttert. Und wem der Bilderrausch doch etwas zu sehr an der Oberfläche bleibt, für den liegt im Shop der fünfeinhalb Kilo schwere Frida-Kahlo-Katalog des Taschen-Verlags bereit.

Viva Frida Kahlo, bis 10. Feb., Utopia, Heßstr. 132, vivafridakahlo.de

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