Süddeutsche Zeitung

Prozess um Wirtschaft "Villa Flora":"Jeden Mittag Schweinsbraten, da kommt keiner mehr"

Die Münchner Kindl GmbH soll als Pächter der Villa Flora eine halbe Million Vertragsstrafe zahlen, weil sie hauptsächlich Events und Themenabende anbietet, aber keine Gastronomie für die breite Bevölkerung.

Von Susi Wimmer

Die Stimmung ist spürbar geladen, der Lautstärkenpegel steigt. Richterin Isabel Liesegang seufzt und sagt zu den Parteien, dass man jetzt nicht über Vertragsverlängerungen sprechen könne, "so, wie Sie zerstritten sind". Es geht um die Villa Flora in Sendling-Westpark und deren Nutzung. Die Stadt will dort eine "Münchner Traditionswirtschaft" sehen, der jahrzehntelange Pächter, die Münchner Kindl GmbH, die an eine Eventfirma unterverpachtet hat, sieht darin den Untergang der stattlichen Villa. Weil aktuell dort mehr Event als Gastronomie für die breite Bevölkerung stattfindet, soll Münchner Kindl eine halbe Million Euro Vertragsstrafe zahlen.

D-1-62-000-2393. So lautet die Nummer in der Münchner Denkmalliste, hinter der sich die Villa Flora verbirgt. Der zweigeschossige Walmdachbau wurde 1874 von Josef Wolf im Stil des Biedermeier errichtet. Früher gab es dort eine Gaststätte mit Biergarten und Kegelbahn, in den 1930er-Jahren galt das Wirtshaus als Treffpunkt der SPD. 1937 wurde der Wirt deshalb enteignet, das Haus fiel der Stadt München zu. Es folgten ein Bauhof, ein Wohnheim als Nutzung, dann verfiel das Gebäude zusehends.

Bis Dietrich Sailer von der Münchner Kindl GmbH die Villa 1995 in Erbpacht übernahm, "drei bis vier Millionen" investierte, wie er sagt, und eine Gaststätte "à la carte" eröffnete. Etwa 20 Jahre ging das gut. Aber heute, erklärt sein Sohn Luis, funktioniere so ein Wirtshaus am Mittleren Ring nicht mehr. "Da draußen gibt es keinen Besucherverkehr, Firmen wie ADAC oder Fraunhofer haben ihre eigenen Kantinen", ergänzt Bruder Leo. "Jeden Mittag Schweinsbraten, da kommt keiner mehr." Deshalb war man froh, als die Eventfirma Glanz & Gorilla übernahm. Sie bietet private Feiern wie Hochzeiten oder Mottoabende wie "Spanien" an.

Genau letzteres ist der Stadt ein Dorn im Auge. Denn die hat in den Erbpachtvertrag geschrieben, dass die Sailers dort eine bürgerliche Gastwirtschaft "Altmünchner Tradition" für weite Bevölkerungskreise führen solle. Andernfalls sei eine Vertragsstrafe von 39 000 Euro monatlich fällig. Und da in der Villa im Jahr 2022 lediglich 15 Veranstaltungen angeboten worden seien, bei denen auch noch Eintritt verlangt worden sei, greife die Vertragsstrafe. "Ich kann mir schon vorstellen, dass private Hochzeiten für Sie viel lukrativer sind", sagt Henrike Butenberg, Rechtsanwältin für die Stadt München. "Aber wir wollen beides: Events und eine Gastwirtschaft für die breite Bevölkerung."

Hans Olschewski, Anwalt der Sailers, ist der Meinung, dass der Vertrag mit der Strafe "ohnehin nicht haltbar" sei. "Da bin ich nicht so ganz sicher", sagt die Richterin am Landgericht. "Wie wollen Sie ,Altmünchner Tradition' definieren", fragt er. "Naja", meint Richterin Liesegang, sie verstehe darunter eine Wirtschaft, in die man auch ohne Eintritt gehen könne. "Es gab auch Events ohne Eintritt", meint Leo Sailer. Die Traditionswirtschaft funktioniere nicht, "schauen Sie den Unionsbräu Haidhausen an, die mussten schließen", ruft der Senior. Wenn man dieses Konzept dieser Örtlichkeit überstülpe, "dann stirbt die Villa Flora".

Die Debatte wird hitziger, schließlich geht es auch noch darum, dass der Vertrag ja nur bis 2044 laufe, "dabei wollen wir investieren", sagt der Senior-Chef. Und da schwenkt Richterin Isabel Liesegang ein, darüber brauche man nun wirklich nicht zu reden. Von Seiten der Stadt kommt der Appell, man möge sich zusammensetzen, "wir möchten ein schönes Verhältnis und einen rechtssicheren Vertrag". Man einigt sich darauf, eine Mediation ohne Rechtsanwälte zu versuchen, während dieser Zeit wird auf die Vertragsstrafe verzichtet. Platzt die Mediation, wird man sich vor dem Landgericht München wiedersehen.

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