Müssen wir uns Sorgen machen um Münchens Ruf? Das Bild der überschäumenden Lebensfreude im Biergarten kennt doch die ganze Welt. Das fröhliche Klingen von vollen Weißbiergläsern auf gut eingeschenkte Masskrüge ist der wahre Sound of Munich, wie jeder Tourist weiß. Und die Zentrale dieser Bierseligkeit liegt, auch das steht in jedem Reiseführer, natürlich mitten auf dem Viktualienmarkt unter derzeit noch nackten Kastanien. Am vergangenen Samstag trug sich jedoch zu, was wahrlich ein Albtraum für wahrhafte Münchner ist: Das Weißbier war aus.
Der Biergarten brummt, das Wetter ist mild, die Sonne zwar schon weg, aber die Stimmung steht auf Frühling. An der Schenke steht einsam eine letzte Flasche dunkles Weißbier, das helle Weizen ging längst über den Tresen. Verzweiflung macht sich breit beim Durstigen, auch nebenan im Standl der Familie Hochreiter ist nichts mehr zu holen. Was wohl geschehen ist? Streik der Bierfahrer? Hektische Hamsterkäufe von Weißbiertrinkern? Sabotage von finsteren Mächten? Die Wirtsfamilie versichert am Montag, es war bloß ein Versehen, in der Kühlung lagerten schlicht ein Dutzend Tragl Weißbier zu wenig. Was menschlich ist, aber auch ein wenig unheimlich.
Nicht auszudenken, wenn eines Tages auf der Wiesn das Bier ausginge. Die Gebrüder Hochreiter betreiben dort mit der "Haxnbraterei", der "Kalbsbraterei" und dem Fachwerkzelt "Zur Bratwurst" immerhin drei Gastrobetriebe. Hilft dann in der Not der Bruder aus, damit beim nächsten "Oans, zwoa, ..." weiter friedlich gesoffen statt durstig gerauft wird? Es steht zu vermuten, dass der Weißbiernotstand am Viktualienmarkt Konsequenzen hat. Die Mitarbeiter der Schenke werden sicherlich verpflichtet, halbstündlich den aktuellen Wetterbericht abzufragen. Und auf dem Kühlschrank wird ein Warnschild kleben: Vorsicht, Biergartensaison beginnt!
