Viertel-Stunde:Verbannt und doch verbunden

Lesezeit: 1 Min.

Gedenktafel für Josef Schülein in Haidhausen. (Foto: Jan A. Staiger)

Weil Hermann Schülein (1884-1970) jüdischen Glaubens war, sah er 1935 nur noch einen Ausweg: Er floh in die USA. Jetzt erinnern zwei Gedenktafeln am Haus der Einsteinstraße 42 an die Brauerfamilie Schülein

Kolumne Von Johannes Korsche

Hermann Schülein schrieb 1964 in New York folgende Zeilen: "Von dir einst jäh verbannt / Hat Wunden tief gebrannt". Es war seine Art, mit seiner 1936 erzwungenen Flucht aus München umzugehen. Die Schüleins prägten Haidhausen seit 1885, als Josef Schülein das Anwesen an der heutigen Einsteinstraße 38 bis 44 kaufte. Dort standen bald die Braukessel der frisch gegründeten, familieneigenen "Unionsbrauerei Schülein & Co". Doch als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurden die Schüleins systematisch aus allen Ämtern und Funktionen gedrängt - weil sie jüdischen Glaubens waren. So musste Hermann Schülein (1884-1970), Brauer in zweiter Generation, den Vorstandsvorsitz bei Löwenbräu, den er seit der Fusion der Familienbrauerei mit Löwenbräu im Jahr 1921 bekleidete, räumen. Knapp 15 Jahre später sah Hermann Schülein nur noch einen Ausweg: Er floh in die USA, um sein Leben zu retten. Mit zwei Gedenktafeln an der Einsteinstraße 42, an deren Enthüllung unter anderem Andreas Heusler vom Münchner Stadtarchiv und Kommunalreferentin Kristina Frank teilgenommen haben, wird nun an die Brauerfamilie Schülein erinnert.

Wie sehr es Hermann Schülein geschmerzt haben muss, sein München zu verlassen, zeigt sich nicht nur in seinem New Yorker Gedicht, sondern auch darin, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg beim Wiederaufbau Münchens mithalf. Zwar hatte sich Schülein auch in New York ein Leben aufgebaut, war zum Aufsichtsratvorsitzenden der damals überaus erfolgreichen Liebmann Rheingold-Brauerei aufgestiegen. Doch er blieb München eng verbunden und wandte sich nicht von dem Leid der zerbombten Stadt ab. Im Gegenteil. Er schickte in der Nachkriegszeit hunderte "Care-Pakete" mit Essen und anderem, was zum Leben notwendig war, zu seinen Münchnern.

Im Dezember 1970 starb Schülein in New York. Obwohl er den Tod von Freunden und Verwandten in Konzentrationslagern betrauerte, verzieh Hermann Schülein. Oder wie er es selbst in dem bereits oben zitierten Gedicht geschrieben hat: "Wie man der Mutter stets verzeiht / Verzeih' der Mutterstadt ich heut'."

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: