Viertel-Stunde:Stille im Lehnstuhl

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Kein heiliger Abstand: die Hephata-Kapelle (Foto: Klinikum)

"Man muss keinen Glauben haben, um hier zu sitzen": die Hephata-Kapelle im Klinikum rechts der Isar

Von Johannes Korsche

Für Arthur Stenglein, Pfarrer der evangelischen Hephata-Kapelle im Klinikum rechts der Isar, ist es dieser eine Moment, der seine im Labyrinth der Krankenhausgänge versteckte Kapelle so besonders macht: das Schließen der Tür. Denn während auf den Gängen Ärzte und Pflegepersonal dem Klinikalltag hinterher hetzen, mittendrin Patienten und Angehörige sich ihren Weg zur nächsten Untersuchung bahnen, herrscht mit dem Klicken des einrastenden Türschlosses auf einmal - Stille. "Hier kann man einfach mal nur sein", sagt Stenglein. Seit 60 Jahren.

Ein möglichst "niedrigschwelliges" Angebot soll Stengleins Kapelle sein. "Man muss keinen Glauben haben, um hier zu sitzen." Bei der Renovierung der Kapelle vor ein paar Jahren hat er deswegen darauf geachtet, dass die Kapelle am Ende "wohnzimmermäßig" wirkt und sich von den übrigen Krankenhausräumen unterscheidet. Die Wände sind nicht weiß gestrichen, der Boden aus hellem Parkett und im Eck steht ein Lehnstuhl. Der Altar - ein schlichter Holztisch, auf dem ein Kreuz steht - verlor bei der Renovierung kurzerhand sein Podest. "Ich will da keinen heiligen Abstand." Auch der wöchentliche Gottesdienst am Donnerstagabend ist deswegen "kein langes Ding". Wichtiger seien die Gespräche, die sich anschließend ergäben.

Trotzdem ist der Raum unverkennbar christlich. Das Fenster zeigt die Auferstehung Christi, über der Tür sieht man den barmherzigen Samariter, und den Altar schmückt eine Wandmalerei, die die namensgebende Bibelstelle zeigt. Jesus heilt darin einen Taubstummen, mit Blick in den Himmel soll er dabei "Hephata" gesagt haben - aramäisch für "Öffne dich". Seit zwölf Jahren versteht Stenglein das "Öffnen" als Prinzip seiner Kapelle. In den Gesprächen als Seelsorger, die er oft in der Klinik führt, öffnen sich ihm die Menschen. Er öffnet dafür die Hephata-Kapelle für alle Ruhesuchenden. Und so versteckt sich hinter dem Zimmerschild, auf dem unscheinbar "B 2.0.30" steht, nicht ein weiteres Krankenhauszimmer, sondern ein Raum, der etwas bereithält, was nicht nur im Klinikalltag oft genug fehlt: Stille.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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