Viertel-Stunde:Rabiate Lehrer, rasante Traber

Viertel-Stunde: Blick zurück: Ingrid Sand führt den Gesprächskreis.

Blick zurück: Ingrid Sand führt den Gesprächskreis.

(Foto: Catherina Hess)

Das waren noch Zeiten: Ein Gestüt feiert Erfolge auf der Rennbahn, Pädagogen lassen die Schüler zur Strafe den Garten umgraben - und im Sollner Gesprächskreis erinnert man sich daran so, als sei das alles erst gestern passiert

Von Jürgen Wolfram

Wenn Lehrer um den bleibenden Eindruck wüssten, den sie bei manchen ihrer Schüler zeitlebens hinterlassen, sie würden sich vermutlich selbst zur Ordnung rufen. Sonst kann es sein, dass sich Menschen um die achtzig noch haargenau daran erinnern, wie ihnen einst wegen kleinster Aufmüpfigkeiten auf die Finger gehauen wurde oder, noch einprägsamer, wie Buben und Mädchen zur Strafe den Privatgarten einer berüchtigten Pädagogin umgraben mussten.

Erlebnisse aus der Schulzeit sind eine Konstante, wenn sich alle paar Monate der Sollner Gesprächskreis im Alten- und Service-Zentrum (ASZ) an der Herterichstraße trifft. Gegründet von Hermann Sand, dem 2014 verstorbenen Herausgeber der Sollner Hefte, leitet heute seine Witwe Ingrid Sand die geschichtsbewusste Runde. Weil die meisten der hier Versammelten schon ihre Kindheit im Stadtteil verbracht haben, genügt ein knapper Zuruf, damit der historische Austausch Fahrt aufnimmt. Diesmal passt der Begriff besonders gut, denn es geht schwerpunktmäßig um Sollns glorreiche Zeit als Hochburg des Pferdesports.

Es soll um 1940 gewesen sein, als am westlichen Ende der Muttenthalerstraße noch nicht der Reitverein "Corona" seine Stallungen stehen hatte, sondern die Familie Jauss ein prächtiges Gestüt. Hier gab sich die bayerische Traberelite die Zügel in die Hand und trainierte auf einer hauseigenen Aschenbahn. Zudem betrieb der Clan, aus dem mit Gottlieb Jauss ein mehrfacher Champion hervorgegangen ist, eine Pferdepension. Aus Solln stammte ebenso ein mysteriöser Reitlehrer. Der soll eine Menge Schulden angehäuft haben und dann spurlos verschwunden sein. Nach Italien? Vermutlich, Genaues ist nicht bekannt. Aber Spekulationen sind ohnehin die beste Würze jeder Kolportage.

Wenn sie in ihrer Erinnerung kramen, fällt manchen Teilnehmern des Gesprächskreises auch wieder ein, wie deutlich sich das zweite Vatikanische Konzil auf die katholische Kirche in Solln ausgewirkt hat: Das gesamte Gestühl verschwand aus dem Gotteshaus, Altäre wurden neu angeordnet - klerikale Modernisierung anno 1966. Freunde hat sich Julius Kardinal Döpfner damit bei den Gläubigen offenbar nicht gemacht, bis heute ist leise Empörung vernehmbar. Mit großen historischen Dimensionen haben alteingesessene Sollner dagegen überhaupt kein Problem. Wie denn auch, wo ihr 1938 nach München eingemeindeter Ort doch schon mehr als tausend Jahre lang existiert?

Einigkeit herrscht beim Gesprächskreis, dass früher zwar nicht alles, aber doch manches besser gewesen sei. Die Verkehrsmittel waren nicht so voll, der Sollner Bahnhof noch kein "Saustall", man hörte mehr bairischen Dialekt auf den Straßen und stärkeres Engagement ließ das mittlerweile darbende Vereinsleben blühen. Nicht mal eine Tausendjahrfeier habe Solln zustande gebracht, wird bitter beklagt. Ein klarer Fall von Optimierungsbedarf. Dabei hat Solln früher durchaus Schwein gehabt, wie sein von "Suhle" abgeleiteter Name schon andeutet. Diesen Aspekt könnte man beim nächsten Treffen des Gesprächskreises im August mal ironisch vertiefen.

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