Süddeutsche Zeitung

Viertel-Stunde:Mit Taschenlampe auf der Pirsch

Nachts folgen die Teilnehmer der Biber-Exkurison Reflektoren an Bäumen, lösen Rätsel und entdecken - vielleicht - auch den Erbauer von Wasserburgen

Kolumne von Julia Weinzieler

Man muss ein bisschen aufpassen in dieser warmen Sommernacht, um die feiernden Abiturienten mit dem Licht der Taschenlampe nicht zu verschrecken. Die Teilnehmer dieser Exkursion sind auf erlebnispädagogischer Biber-Nachtwanderung im Pasinger Stadtpark. Ein Projekt, gestaltet und aufwendig kuratiert von der Anwohnerin Nicole Traub. Es ist nicht nur lehrreich, es weckt auch die Abenteuerlust - bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. Mit etwas Glück sogar mit waschechter Biber-Sichtung.

Der Startpunkt bleibt an dieser Stelle geheim, denn schließlich soll die Route jeweils allein oder im Familienverbund begangen werden, die Natur geschützt bleiben. Mit der Taschenlampe sucht man den ersten Reflektor, der an einem Baum oder Strauch angebracht ist. Kaum funkelt es in der Entfernung, nimmt man die Fährte auf. Die Idee kam Nicole Traub vom Geocaching, einer GPS-gestützten Schnitzeljagd, die sie privat schon lange begleitet. Immer wieder funkeln auf dem Weg den Teilnehmern mehrere Punkte entgegen. Dann heißt es, eine liebevoll verpackte und spannende Frage am Baum oder im Gestrüpp zu finden und bestenfalls richtig zu beantworten. Schließlich soll man am Ende auf das Lösungswort kommen.

Denn es gilt herauszufinden, wohin sich ein kleiner Biber, der in die weite Welt zieht, aufmacht. Wenn neuer Nachwuchs kommt, müssen die Tiere ihren Geburtsort verlassen, das Futter würde sonst knapp werden. Für die Tiere ist das in München aber gar nicht so einfach, der Lebensraum an Isar und Würm ist knapp. Das Lösungswort lässt träumen - und verschweigt kindgerecht ein bisschen die grausame Realität: Viele Biber kommen auf der Suche nach Lebensraum um.

Nicole Traub selbst arbeitet im sozialen Bereich und weiß, dass nicht jeder die Mittel und Zugänge hat, seine Kinder sinnvoll zu beschäftigen. Durch die Corona-Krise hat sich die Lage verschlechtert. Also wollte sie ein niederschwelliges Angebot in ihrem Viertel etablieren. Auf einer Brücke kann man mit etwas Glück auch echte Biber sehen oder zumindest dem Schnalzen der Tiere lauschen - für warme Sommernächte ein spannender Spaziergang, auch abseits der gewohnten Pfade, der Kinderaugen leuchten lässt. Die Kontaktdaten für die Tour finden sich auf Aushängen im besagtem Stadtpark und in Pasing - Augen auf!

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Quelle:
SZ vom 04.07.2020
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