Viertel-Stunde:Käthchen und die Endlichkeit

Tierfriedhof Obermenzing

Absehbares Aus für die „Letzte Ruhe“ in Obermenzing.

(Foto: privat)

Wer sehen will, wie Wesen geehrt werden, die wirklich geliebt wurden, muss den Tierfriedhof in Obermenzing besuchen

Kolumne von Jutta Czeguhn

Käthchen Kollwitz wurde knapp acht Jahre alt. Aus ihrem Grab mit der schlichten Holzumrahmung wächst ein Johanniskrautstrauch, zu dem sich eine späte Brennnessel gesellt hat. Wer war Käthchen? Man weiß es nicht. Aber es ist irgendwie passend und tröstlich, wenn man an die Kunst ihrer Namensvetterin, der großen Käthe denkt, die den Trauernden, den Verzweifelten in ihrem Werk ein Gesicht gab. Der Obermenzinger Tierfriedhof ist kein bedrückender Ort. Die Dichte an Herzen und Engeln ist wohl um vieles höher als in anderen Begräbnisstätten. Klar, die Toten, die hier ruhen, wurden und werden immer noch innigst geliebt. Wie Paco, der zwar schon 2015 diese Erde verlassen hat, dessen Fressnapf neben seinem Grabmal jedoch so blitzeblank ist, als hätte er eben noch eine Portion Happy dog verspeist.

Keiner Menschenseele begegnet man bei diesem Vormittagsspaziergang hier am Rande von Obermenzing, was eine Wohltat ist. Der Corona-Slalom zwischen all den Spaziergängern im Blutenburg-Park kann recht nervtötend sein. Der Weg zum Tierfriedhof führt über die Pippinger Straße. Auf Höhe Alter Wirt biegt man jedoch nicht Richtung Gaststätte, sondern nimmt den Breiten Weg gen Westen. Immer geradeaus, zwischen Äckern. Man begegnet einem frechen Huhn, das seinem mobilen Stall auf dem Feld glücklich entfleucht ist. Dann weist schon ein Schild zum umzäunten Gräberfeld, das quasi auf der Rückseite des Obermenzinger Menschenfriedhofs liegt. Das Eingangstor ist geöffnet, die Rollläden der blauen Holzbaracke jedoch sind herunter gelassen.

Die "Letzte Ruhe" heißt Münchens einziger Friedhof, auf dem individuelle Tierbestattung möglich ist. Still ist es hier, nur das gleichmäßige Rauschen der nahen Autobahn ist zu hören. Hunde, Katzen, Meerschweinchen, auch Kaninchen liegen hier begraben. Für ihre Menschen war es offensichtlich keine Option, sie im eigenen Garten zu verscharren, in die Tierkörperbeseitigung zu geben oder im Tierkrematorium einäschern und dort in einem Sammelgrab beerdigen zu lassen. Reihen-, Einzel- oder Anonymgräber gibt es hier, zumeist sind sie hingebungsvoll hergerichtet und gepflegt, mit Grablichtern, Buxumrandungen und dem Herbst-Klassiker Erika fürs Beet.

Erst beim Hinausgehen liest man den Text auf dem großen Schild über den Fahrradständern: "Der Tierfriedhof wird ab dem 31. 5. 2025 geschlossen! Bitte räumen Sie Ihre Gräber samt Umrandung bis dahin ab. Andernfalls werden diese kostenpflichtig entfernt." Wie das ganze Leben - auch die letzte Ruhe ist endlich.

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