Viertel-Stunde:Ins Tal kehrt das Leben zurück

Auch so könnte das Tal zwischen Rathaus und Isartor aussehen: Eine multimediale Installation präsentiert Visionen einer Belebung der Straße - inklusive Bäumen und Bachlauf

Von Jutta Czeguhn

So muss es eine Stadttaube wahrnehmen - wenn sie überhaupt nach unten schaut. Das Tal, jene kurze Passage im alten Herzen Münchens zwischen dem Rathaus und dem Isartor, bekannt für ihre unsouveräne Hässlichkeit, von oben betrachtet: Verkehrslärm dröhnt herauf, lautverstärkt durch die Häuserfassaden, Stoßstange an Stoßstange die Autos, auf niedliche Matchbox-Größe geschrumpft ... Dann, von einer Sekunde auf die andere, sind sie verschwunden. Alles ist nun in blauviolettes Licht getaucht, sphärenartige Musik hat die Motorengeräusche und das Gehupe abgelöst. Der alte Rathausturm leuchtet im weißlichen Neongrün. Es kriechen gestrichelte Linien aus der Fahrbahn hervor, wie ein Nähmuster aus Rauten, die Fassaden, eine nach der andere, hellen sich auf. Etwas Seltsames geschieht. Sind da unten nicht Baumkronen, und ja, ein Bachlauf, den kleine Brücken kreuzen? Dächer weißer Sonnenschirme? Und es bewegt sich etwas dazwischen. Menschen, denn man hört Stimmen, Kinderlachen und das beruhigende, frische Plätschern von Wasser.

Lukas Taido  Audiovideo-Skulptur des "Belebten Tals" in der Pasinger Fabrik

Das Bächl im Tal: Lukas Taido neben seiner Installation.

(Foto: Maximilian Ott/oh)

Das Projekt "Belebtes Tal" ist bislang nur eine Vision des Münchner Architekten Markus Uhrig, die er aber mit nicht wenigen Menschen teilt. Eigentlich sollte sie heuer bei der Architektur-Biennale in Venedig vorgestellt werden, die wie so vieles abgesagt und ins nächste Jahr verschoben wurde. Als multimediale Installation ist Uhrigs Utopie von einer Um- und Neugestaltung des Tals als Fußgängerzone, von der kreativen Befreiung des "Bächls" aus seinem Untergrund jetzt in der Pasinger Fabrik zu betrachten. Sehr bewusst als Sidekick zur aktuellen Pandemie-Kunstschau dort. Geht es doch darum, wie Kurator Elmar Zorn sagt, die Stadt für die Zeit nach Corona neu zu denken. Mit mehr Zonen für die wiedererwachende Annäherung zwischen den Menschen, mit entspannten, kühlen Bereichen, die auch dem (fein)staubigen Stadtklima wohltun.

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Lukas Taido, Sohn von Komponisten-Legende Eberhard Schoener, hat als Musiker und Medienkünstler schon viele Orte verwandelt, zuletzt mit Audioinstallationen im Shanghai Tower oder für die 100-Jahre-Bauhaus-Feier in Dessau. Nun hat der Wahlberliner gemeinsam mit Phil Max Schöll Uhrigs Architekten-Träume nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar gemacht. Acht Monate haben sie an der audiovisuellen Skulptur gearbeitet, erzählt Taido. Die Installation basiert auf dem Prinzip der immer noch sehr jungen Kunstform des Videomappings. Neun Projektoren waren dabei im Einsatz, um die Häuserfassaden und die beiden Tore exakt zu reproduzieren, die später detailgenau als Gravuren und Vertiefungen in die Skulptur gefräst wurden. Hinzu kommen sechs nahezu unsichtbare Lautsprecher. All das lässt die Illusion des "belebten Tals" auf spannende Weise beinahe real werden. Und beim Stadtgründungsfest 2021 könnten die Münchner akustische und visuelle Visionen womöglich sogar im Maßstab 1:1 im Tal erleben.

"Belebtes Tal", Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, Galerie 3, Samstag und Sonntag, 16 bis 20 Uhr.

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