Viertel-Stunde:"Ich liebte, lachte und litt"

Viertel-Stunde: Eine Kämpferin: Gerty Spies.

Eine Kämpferin: Gerty Spies.

(Foto: privat)

Die Holocaust-Überlebende Gerty Spies erinnerte als Zeitzeugin daran, wozu Menschen fähig sind. Nun erinnert eine Straße an sie

Von Berthold Neff

Man weiß derzeit noch nicht, wann der Schulcampus auf dem Gelände der früheren Landesschule für Gehörlose zustande kommt. Klar ist aber jetzt schon, dass er an der Gerty-Spies-Straße liegen wird. Die öffentliche Verkehrsfläche südlich der Lindauer Autobahn, zwischen der Westend- und der Fürstenrieder Straße gelegen, wurde jetzt nach der Schriftstellerin benannt, die von den Nazis nach Theresienstadt deportiert wurde, den Holocaust überlebte und danach als Zeitzeugin daran erinnerte, wozu Menschen fähig sind - im Guten wie im Bösen.

Gertrud Gumprich, so ihr Mädchenname, wurde 1897 als Tochter eines jüdischen Kaufmanns und Mundartdichters in Trier geboren. Am Fröbelseminar in Frankfurt am Main wurde sie zur Kindergärtnerin ausgebildet. In ihrem Buch "Bittere Jugend", das erst 1997 veröffentlicht wurde, schildert sie, wie sehr sie der Tod ihres Bruders Rudolf getroffen hat, der 1918 im Ersten Weltkrieg fiel. 1920 heiratet sie; nach sieben Jahren wird die Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen, geschieden.

1929 zieht Gerty Spies nach Schwabing, sie beginnt zu schreiben, Gedichte, Humoristisches. 1933 gerät sie in die Isolation und wird dann, ohne ihre Tochter Ruth, die als "halbarisch" galt, ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort leistet sie Schwerstarbeit in einer Glimmerspalterei und findet Halt in den Gedichten, die sie hier formulierte und auswendig lernte, um sie aus dieser Hölle zu retten. Als der Gedichtband "Theresienstadt" 1947 erscheint, lebt Gerty Spies wieder in München, engagiert sich im "Bayerischen Hilfswerk für die durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen", schreibt weiter, findet aber lange keinen Verleger. Erst im hohen Alter wird sie geehrt, 1986 mit dem Schwabinger Kunstpreis für Literatur. Seit 1996 wird ihr zu Ehren von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz der "Gerty-Spies-Literaturpreis" verliehen.

Am 10. Oktober 1997, im Alter von 100 Jahren, ist Gerty Spies im jüdischen Altenheim in München gestorben. "Ich liebte, lachte und litt" lautet die von ihr selbst verfasste Grabinschrift.

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