Viertel-Stunde:Gute Gaben vom Stummen Joseph

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Spuckt nur Nützliches aus: der alte Zigarettenautomat in St. Joseph. (Foto: privat)

In der Maxvorstädter Kirche St. Joseph verführt ein ehemaliger Zigarettenautomat die Gläubigen - aber nicht zur Droge Nikotin

Glosse von Jutta Czeguhn

Fast schämt man sich, ihm so etwas auch nur eine Sekunde unterstellt zu haben. Nicht an so einem Ort! Doch da war eben dieses Gefühl, mit dem Vertrauensvorschuss mal wieder eine Bauchlandung zu erleben: Die Zwei-Euro-Münze war mit einem Klick im Schlitzschlund verschwunden, dort, wo früher Ein- oder Zwei-Mark-Stücke von nikotingelben Fingern hineingedrückt wurden. Dann dieser Moment der Anspannung: Wird es klappen? Von unten greift man robust die Metallschublade - und zieht zackig an. Dann, Aaah! Die Entnahmevorrichtung gibt butterweich nach. Nein, der "Stumme Joseph" betrügt nicht, nie würde er das Geld einfach so ohne Gegenleistung schlucken. Nie müsste man wütend wie einst das HB-Männchen vor ihm in die Luft gehen.

In einer linken Seitennische gegenüber vom Schriftenstand in St. Joseph steht seit etwa zwei Jahren ein Zigarettenautomat, den sie Stummer Joseph getauft haben. Weil er so etwas wie ein Stummer Diener sei, und der Heilige Joseph in der Bibel ja auch nichts sage, erzählt Felix Maier. Der Pfarrgemeinderat der Maxvorstädter Kirche hat den alten Holzkasten aufgetrieben, über Ebay, in Niederbayern, wo er wohl Jahrzehnte in einer rauchgeschwängerten Boazn treue Dienste an der einst so unbeschwerten Tabak-Sucht tat. Um genau zu sein, ist der Stumme Joseph ein Hybrid, Maier hat ihn aus zwei kaputten Zigarettenspeiern zusammengeschraubt.

Automaten, aus denen man kleine Kunstüberraschungen ziehen kann, haben Felix Maier auf die Idee gebracht. "Die Leute sehen heute Filme, wann sie wollen, hören Musik, wenn sie Lust drauf haben, warum soll das nicht auch mit spirituellen Inhalten möglich sein", dachte er sich. Doch der Stumme Joseph, der noch einen "Lord-Extra"-Sticker auf seinem ramponierten Massivholzkorpus kleben hat, verkauft beileibe keine frommen Bibelsprüche. Die engagierte Gruppe Gemeindemitglieder um Felix Maier verpackt in maßgefertigte, speziell designte Schächtelchen bemerkenswert Nützliches, ganz ohne bildgestützte Warnhinweise. "Würze des Lebens" heißt es da etwa auf der Packung, "Fordere dich selbst" oder "Geschenk für einen Freund". In so einer Lord-Extra-Schachtel kann dann beispielsweise ein Lippenpflege-Stift als schnelle Hilfe gegen Winterkälte stecken, samt Beipackzettel, auf dem Sokrates' Geschichte von den "Drei Sieben" erzählt wird.

An die 400 dieser kleinen Gaben gibt der Stumme Joseph jährlich an Gläubige wie Nicht-Gläubige aus, die Einnahmen werden reinvestiert. Zu Corona-Zeiten, so hat Felix Maier beobachtet, kommen die Menschen öfter unter der Woche tagsüber auf einen kurzen Abstecher in die Kirche. Und stehen dann lieb erstaunt vor dem alten Automaten, auf dem nun niemand mehr achtlos sein Bier abstellt. Und nur noch ab und an umwölkt den Stummen Joseph heute dicke Luft. Immer dann, wenn sie den Weihrauch, dieses uralte psychoaktive, heilige Duftmittel, entzünden.

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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