Viertel-Stunde:Fürsorge in Barock

Münchenstift

Der Südflügel des St.-Martin-Spitals samt der Kapelle.

(Foto: Winfried EckardT/OH)

In den Fluren des Seniorenstifts St. Martin erinnert vieles an die Geschichte des ehemaligen Armenspitals

Kolumne von Julius Bretzel

Alte Heiligenfiguren, Wandmalerei und sogar eine Bäckerei: In den Kellern, Kammern und Fluren des Seniorenstifts St. Martin in Obergiesing gibt es vieles, was an die lange Geschichte des ehemaligen Armenspitals erinnert. Diese Geschichte beginnt mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, welche die Einwohnerzahl der Stadt und ihrer Umgebung explodieren lässt. Die teilweise aus dem Mittelalter stammenden Armenhäuser waren überfüllt, die Zustände katastrophal. So beschloss der Magistrat der Stadt 1889 den Bau eines Armenspitals. Baugrund im Münchner Zentrum war damals schon teuer, weshalb das Gebäude auf dem Giesinger Oberfeld entstand - aber anspruchsvoll. In der königlichen Haupt- und Residenzstadt mussten auch Zweckbauten wie eine Armenversorgungsanstalt ästhetischen Ansprüchen genügen. Deshalb wurde Carl Hocheder mit der Planung des St.-Martin-Spitals betraut, ein damals bekannter Architekt.

Mit seinen Bauten - etwa das Müllersche Volksbad - war er stilbildend für den sogenannten Münchner oder Hocheder-Barock. Nach gerade einmal zwei Jahren Bauzeit war das Hauptgebäude des Spitals fertiggestellt. Für Anbauten in den Folgejahren wurden weitere namhafte Münchner Künstler engagiert.

Als Personal zog der Orden der Barmherzigen Schwestern in das St.-Martin-Spital. 80 Jahre lang sorgte der Orden für die Bewohner; 1985 verließen die letzten Schwestern das Spital. Im Ersten Weltkrieg war das Haus mit Kriegsversehrten überfüllt, im Zweiten Weltkrieg verlor es sein Dach bei einem Bombenangriff. Nach dem Krieg nahm es Flüchtlinge auf: heimkehrende Soldaten, Juden, Überlebende des KZ Dachau. Seit mehr als 30 Jahren ist das Haus St.-Martin nun ein Seniorenheim - und birgt noch immer die Spuren 125-jährigen Geschichte.

Die Geschichte des St.-Martin-Spitals ist auch Thema eines Vortrags von Winfried Eckardt am Montag, 21. Oktober, von 14.30 Uhr an im Münchenstift, St.-Martin-Straße 34. Eintritt 7 Euro, Anmeldung unter 480 06 67 50 erforderlich.

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