Viertel-Stunde:Die Ruhe im Trubel

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Naomi Steigenberger ist Kontaktbeamtin im Viertel rund um den Zentralen Omnibusbahnhof. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, da zu sein

Von Lea Weinmann

Sehr ruhig sei es hier am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB), sagt Polizeiobermeisterin Naomi Steigenberger und blickt in Richtung des Gebäudes, dessen Aluminium-Röhren-Architektur an einen ICE-Kopf erinnern soll. Man könnte meinen, die 25-Jährige möchte einen auf den Arm nehmen beim Gedanken an die unzähligen Menschen, die hier täglich in einem nicht versiegenden Schwall aus Bussen stolpern, wieder einsteigen, Koffer schieben, warten, aufeinander treffen.

Wer aber auf der Hackerbrücke steht, dieser schroffen, eisernen Konstruktion mit ihren sechs Bogenträgern, sich an die Brüstung lehnt und die Morgensonne warm im Gesicht spürt, der erkennt die ruhige Schönheit dieses Fleckchens, ganz abseits vom Touristentrubel andernorts: Endlose Schienen und Weichen verästeln sich, wie feingliedrige Linien wirken sie von oben, die ineinander und wieder auseinander fließen, fast bis zum Horizont, vor dem sich beim Blick Richtung Innenstadt die Silhouetten der beiden Zwiebeltürme der Frauenkirche abzeichnen. Eigentümlich friedlich ist es hier.

Viele Sonnenuntergangsjäger haben die Brücke mit dem weiten Blick für sich entdeckt, halten auf den Pritschen in eineinhalb Metern Höhe smartphonezückend den Moment fest, packen Decken, Brotzeit und Getränke aus. Auf Brücken herumklettern ist gefährlich - und natürlich verboten. Die Polizeiobermeisterin wird nicht müde, die Leute wieder auf den Boden zu holen. Sonst hat sie, die als Kontaktbeamtin im Viertel rund um den ZOB unterwegs ist, direkt am Bahnhof wenig zu tun. Ihre Aufgabe ist es, Präsenz zu zeigen, Menschen zu besuchen, die Opfer eines Einbruchs oder häuslicher Gewalt wurden, Fragen zu klären, einfach da zu sein. Meist trifft man sie deshalb in den umliegenden Wohngebieten.

Kommt sie doch einmal am ZOB vorbei, zum Beispiel um neugierige Journalisten herumzuführen, strahlt ihre Uniform wohl die geballte Kompetenz aus, zumindest vergehen keine fünf Minuten, ohne dass sie jemand nach dem Weg fragt. Zur S-Bahn? Zum Bus? Zum Lidl? Naomi Steigenberger gibt immer freundlich Auskunft. Sie nimmt sich die Zeit. Und es ist ja sonst auch ruhig hier.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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