Süddeutsche Zeitung

Viertel-Stunde:Der Stolz des Lokalpatrioten

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Maximilian Dorner lebt noch nicht lange in Haidhausen, ist im Viertel aber bestens vernetzt

Von Renate Winkler-Schlang

Wenige Meter nur ist Maximilian Dorner unterwegs und schon haben drei Menschen ihn begrüßt: "Hallo Max." Das ist ein Grund, warum er sich als "Haidhauser Lokalpatriot" bezeichnet. In fast jedem Haus kenne er jemanden. Er winkt den Besitzern der Läden zu, hat die Geschichten von damals parat, als Haidhausen noch nicht homogen hip, sondern ein Glasscherbenviertel war. Dabei lebt der 42-jährige Dramaturg, Schriftsteller, Lektor, Performer und neuerdings auch Kabarettist erst seit viereinhalb Jahren im Viertel, in einer Erdgeschosswohnung der Genossenschaft Wogeno. Seit zehn Jahren weiß Dorner, dass er Multiple Sklerose hat, seit einiger Zeit kann er nur noch wenige Sekunden stehen. Die alte Wohnung im Westend war nicht barrierefrei: "Das Bewerbungsschreiben für die Wogeno war der beste Text, den ich je verfasst habe."

Dorner kommt von seiner neuen Stelle aus dem Kulturreferat, in dem er sich halbtags um "Kunst und Inklusion" kümmert. Zuletzt hat er die Veranstaltungsreihe "Was geht" mit konzipiert. Was geht? Das ist auch für ihn immer wieder die Frage. Unterwegs ist er mit seinem Handbike, einem Rolli mit handbetriebenem Vorderrad. Das Gerät wird ganz schön strapaziert auf Dorners Streifzügen - immer wieder mal bricht eine Speiche, lockert sich eine Schraube.

Dorner sieht die Welt nun aus dieser Perspektive. Unglaublich sei, wie diese 60 Zentimeter Unterschied zur Augenhöhe der anderen die Sicht verändern. Ebenso unglaublich, wie uneben dieses Haidhausen sei: "Sogar meine Metzstraße ist abschüssig." Die Münchner Gehwegplatten vor seinem Haus sind schön, aber bei Regen rutschig, die abgesenkten Bordsteine verparkt. Dorner "radelt" in der Mitte der Straße. Er habe im Kopf eine Rede, falls einmal ein Polizist ihn stoppt.

Mit dem Stolz des Lokalpatrioten präsentiert er sein Franzosenviertel, das Radlgeschäft, das seinen Rolli richtet, seinen Bäcker, das Haus, in dem die Zeitschrift Muh entstand, das neue israelische Restaurant und dann das kleine Café Lollo Rosso an der Wörthstraße, sein zweites Wohnzimmer: "Hallo Mäxle": Das darf aber nur der nette Wirt zu ihm sagen, der ihm über die Schwelle hilft.

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SZ vom 27.02.2016
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