Viertel-Stunde:Der anmutige Hain Ihrer Majestät

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Jüngling auf Seekuh: eine Skulptur im Bavariapark. (Foto: Andrea Schlaier/oh)

Eine nie vollendete Villa für die Königin, eine Wiese mit Namen Theresienhain: der Bavariapark. Seit 1872 ist er für alle Münchner zugänglich

Kolumne von Andrea Schlaier

Würde auch sehr gut passen, allein weil hier, umsäumt von luftigem Wald, mitten in der Stadt eine grüne Lichtung aufgeht: Theresienhain. Doch diesen malerischen Namen hat der 6,8 Hektar kleine Münchner Park nicht allzu lange getragen, weil sich an der Stelle nicht vollendete, was ursprünglich geplant war: eine Villa für Königin Therese. Dafür behielt die ein paar Meter Isarhang abwärts gelegene Wiese immerhin den Namen Ihrer Majestät. Der Eichenhain, 1826 bis 1931 von Hofgärtner Ludwig Karl Seitz im Auftrag von König Ludwig I. angelegt, wurde in Bavariapark umbenannt. Seit 1872 dürfen dort alle Münchner spazieren gehen.

Aber was heißt spazieren gehen. Mitten im Herzen der Anlage, einer weit ausschwingenden grasbewachsenen Senke kicken die, die in den Innenhöfen der Häuser ringsum keinen Platz und keine Luft haben. Wenn nicht gerade Corona-Alarm herrscht, wird hier gepicknickt, geturnt und gejuchzt. Im Unterholz an den Seiten bauen Kinder aus Stöcken und Laub Hütten. Hunde hecheln durchs Postkartenbild, offiziell nur an der Leine.

Die Flaneure unter den Besuchern ziehen sich gern mal an die baumbewachsenen Säume des Bavariaparks zurück. Und lustwandeln hier entlang eines beachtlich dichten Skulpturen-Rings. Steinschwer und doch leicht in ihrer Anmut hat sich die liegende Flussnymphe von Heinrich Düll und Georg Petzold an der westlichen Parkflanke ausgestreckt. Zur Mittagsstunde bleibt sie selten allein. Wer in der Nähe arbeitet und seine Stulle mit dabei hat, lässt sich gern zu ihren Füßen nieder. Perfekt als Ablage für die Brotzeitbox geeignet ist der rechte abgewinkelte, stattliche Oberschenkel des Flussfräuleins. Womöglich zu deren Bedauern nicht mehr in Sichtweite posiert sich von ihr aus gesehen im Gebüsch ein holder Jüngling auf Seekuh. Der Titel des Kunstwerks von Bernhard Bleeker ist wie gemacht für diese Stadt: Reichtum.

1908, zur Eröffnung des Ausstellungsgeländes am nördlichen Ende dieser Oase, haben zig renommierte Künstler den Bavariapark mit Großplastiken wie diesen geschmückt. Seitdem klebte an der Anlage übrigens offiziell die Bezeichnung "Ausstellungspark". So stolz die Messe, so technokratisch der Titel. Letztlich kommt an die sprachliche Anmut des Theresienhains halt nichts ran.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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