VIERTEL-STUNDE:Bemerkenswert tapfer

Mirjam David ging lieber ins Gefängnis, als die Widerstandsgruppe der Weißen Rose zu verraten. Heute erinnert eine kleine Straße in Moosach an sie

Von Berthold Neff

Mirjam David war eine begabte junge Frau. Sie wurde am 25. November 1917 in München geboren, studierte Chemie und arbeitete am Chemisch-Physikalischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität. Auf eine große Zukunft jedoch, das wusste sie, konnte sie nicht hoffen - den Nationalsozialisten galt jeder mit jüdischen Wurzeln als Mensch zweiter Klasse. Ihr Vater war 1919, als sie zwei Jahre alt war, an den Folgen seiner Verletzungen aus dem Ersten Weltkrieg gestorben. Er war Jude, sie galt den Nazis als "Mischling". Nur weil sich ihr Vater durch Tapferkeit ausgezeichnet hatte, durfte sie an der Uni arbeiten.

Der Chemie-Professor Heinrich Wieland, als Nobelpreisträger nur bedingt angreifbar, beschäftigte dort mehrere solcher "Mischlinge". Einer von ihnen, Hans Leipelt, setzte fort, was die studentische Widerstandsgruppe um Hans und Sophie Scholl begonnen hatte - den Kampf gegen die NS-Diktatur. Gemeinsam mit Marie-Luise Jahn schrieb er das sechste und letzte Flugblatt der Weißen Rose. Am 8. Oktober 1943 wurde er festgenommen, er starb am 29. Januar 1945 in Stadelheim durch das Fallbeil, als siebter und letzter der Gruppe der Weißen Rose.

Mirjam David saß zu dieser Zeit im Gefängnis, man hatte sie am 10. November 1943 verhaftet. Sie kam ins KZ Ravensbrück und stand am 12. Dezember 1944 vor dem Zweiten Senat des Volksgerichtshofs in Berlin. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe dieses sechste Flugblatt von Leipelt erhalten, gelesen und zurückgegeben, ohne ihn anzuzeigen - sich also der Nichtanzeige eines hochverräterischen Unternehmens schuldig gemacht. Sie wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.

Die Haft setzte ihr schwer zu, nach 1945 hatte sie keine Kraft mehr, ihre Karriere fortzusetzen; in der neu eröffneten Dauerausstellung zur Weißen Rose in der Universität fehlt ihr Name. Mirjam David starb am 7. Februar 1975 in Garmisch-Partenkirchen. In Moosach erinnert nun eine kleine Straße, zwischen Agnes-Pockels-Bogen und Georg-Brauchle-Ring, an diese Frau, die tapfer genug war, einer Diktatur die Stirn zu bieten.

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