Videoüberwachung:Da schau her, die Polizei

Junkies, Wiesn, Hauptbahnhof: Die Zahl der Straftaten geht zurück, sobald die Polizei einen Platz mit Kameras überwacht.

Von Martin Bernstein

Orleansplatz

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(Foto: N/A)

Vor zehn Jahren hatte sich Münchens harte Drogenszene wieder einmal verlagert. Nach Münchner Freiheit, Bahnhofsviertel und Giselastraße war der Orleansplatz am Ostbahnhof zum neuen Brennpunkt geworden. Anwohner und Geschäftsleute forderten ein Eingreifen gegen Junkies und Trinker. Im April 2007 begann die Polizei, den Platz mit Videokameras zu überwachen. Bereits ein Jahr später war die Zahl der Straftaten nahezu halbiert worden. In ganz München war im gleichen Zeitraum ein Rückgang der Fallzahlen um gerade einmal vier Prozent zu verzeichnen. 2009 hatte die Polizei am Orleansplatz noch einmal weniger zu tun. Daraufhin wurde die Videoüberwachung dort eingestellt - sie ist nur an Kriminalitätsbrennpunkten zulässig. Die Kameras zogen zum Sendlinger Tor um. Denn es war genau das geschehen, wovor Streetworker und der Haidhauser Bezirksausschuss gewarnt hatten: Die Szene war nur verdrängt worden und in den Nußbaumpark abgewandert. Als die Kameras weg waren, stieg die Zahl der Delikte am Orleansplatz wieder an. Seither verzeichnet die Polizei auch dort Wellenbewegungen: Rückgang 2013, Zunahme 2015. Und aktuell vor allem wieder mehr Rohheitsdelikte. Fazit der Polizei: Die Kriminalität am Orleansplatz ist höher als während der Videoüberwachung, aber deutlich geringer als vor 2007.

Oktoberfest

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(Foto: Sven Hoppe dpa)

Mit 29 Kameras behält die Wiesnwache der Polizei das Oktoberfest im Auge. Dunkle Flecken gibt es kaum noch. Die Spezialisten an ihren Bildschirmen können bei Bedarf ganz nah heranzoomen, sogar Gesichter werden so erkennbar. "In diesem Jahr konnten unsere Leute so Straftaten im zweistelligen Bereich verhindern", sagt Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins. Die Einsatzgruppen, die auf der Wiesn unterwegs sind, können zielgenau sofort dorthin geschickt werden, wo ihre Kollegen an den Bildschirmen Verdächtiges beobachtet haben. Das muss nicht nur am berühmt-berüchtigten "Kotzhügel" neben der Bavaria sein, auch die Lieferantengasse zwischen Wirtsbuden- und Schaustellerstraße ist so ein Hotspot. Und die Kamerabilder helfen bei der Aufklärung von Straftaten. Elf Tage, nachdem er einem 19-Jährigen mit einem Masskrug vorm Weinzelt schwerste Gesichtsverletzungen zugefügt hatte, stellte sich Anfang Oktober ein 21-Jähriger. Der Fahndungsdruck war zu hoch geworden - die Polizei hatte ein Kamerabild veröffentlicht, das den Täter zeigte. Seit 2001 wird die Wiesn mit Kameras überwacht. Im Jahr zuvor waren auf dem Oktoberfest noch 1795 Straftaten verübt worden. Seither geht es mit der Wiesn-Kriminalität bergab. In diesem Jahr waren es - bei vergleichbaren Besucherzahlen - noch 1067 angezeigte Delikte.

Hauptbahnhof

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(Foto: Florian Peljak)

Wenn es in der Stadt eine echte Problemzone gibt, dann ist das aus polizeilicher Sicht das Umfeld des Hauptbahnhofs: Kleindealer entlang der Arnulfstraße, eine Drogen- und Trinker-Szene am "Schwammerl" genannten Vordach, illegale Prostitution in den umliegenden Straßen. Freilich warnt die Polizei immer wieder davor, steigende Fallzahlen als Beweis für eine ausufernde Kriminalität zu nehmen - und für angebliche Untätigkeit der Ordnungshüter. Das Gegenteil ist der Fall. Viele dieser Delikte sind sogenannte Kontrolldelikte. Straftaten also, die nur dann registriert werden, wenn die Polizei sie vereitelt oder aufgeklärt hat. Im Mai 2004 begann die Polizei, das Umfeld des Hauptbahnhofs mit drei Kameras zu überwachen, nachdem im Vorjahr von dort 1351 Straftaten gemeldet worden waren. Zwei Jahre später war die Zahl der Delikte um fast ein Drittel gesunken. Die Bestmarke war 2007 erreicht. Damals registrierte die Polizei noch 848 Delikte auf dem Bahnhofsplatz. Seither jedoch steigen die Zahlen wieder, zuletzt auf rund 1500. Viele Ladendiebstähle sind darunter (die Polizei darf nur den öffentlichen Raum mit Kameras überwachen, nicht aber Geschäfte), Drogenstraftaten und im Suff begangene Rohheitsdelikte. Betrunkene aber lassen sich von Überwachungskameras nicht abschrecken.

Marienplatz

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(Foto: N/A)

Der Münchner Christkindlmarkt wird von 13 Videokameras überwacht, die am Marienplatz, in der Weinstraße, am Rindermarkt, in der Kaufinger- und in der Neuhauser Straße installiert sind. In der Videozentrale im Polizeipräsidium werden die Bilder permanent gesichtet. Nach Weihnachten werden die Kameras wieder abgebaut - bis auf eine. Sie hilft der Polizei aber lediglich, bei Veranstaltungen in Münchens guter Stube die Teilnehmerzahl zu schätzen. Erstmals wurde der Christkindlmarkt im Jahr 2005 von der Münchner Polizei videoüberwacht. Im Jahr zuvor waren auf dem Weihnachtsmarkt noch 456 Straftaten registriert worden. Mit Einführung der Videoüberwachung sank die Zahl bereits binnen eines Jahres um zehn Prozent. Seitdem gehen die Fallzahlen weiter zurück - wenn auch in Wellenbewegungen, wie die Polizei einräumt. Im Jahr 2014 wurden noch 200 Straftaten auf dem Christkindlmarkt angezeigt. Ein Rückgang um 56 Prozent binnen zehn Jahren. Das ist nicht nur ein Verdienst der Videoüberwachung, sondern auch der verstärkten sichtbaren Polizeipräsenz auf dem Marienplatz. Auf den Stachus hat die Polizei ebenfalls ein wachsames Auge. Und das nicht nur zur Winterszeit... Seit zwölf Jahren wird der Karlsplatz rund um die Uhr mit einer Videokamera überwacht. Allerdings mit wechselndem Erfolg. (Hier lesen Sie, warum Videoüberwachung allein nicht immer sinnvoll ist.)

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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