Besondere Zeiten erfordern besondere Begegnungen. Findet jedenfalls die Stiftung Nantesbuch. Daher hat die von Unternehmerin Susanne Klatten gegründete Einrichtung, die sich in der Nähe von Bad Heilbrunn mit Kunst, Kultur und Natur auseinandersetzt, zu einem ganz besonderen digitalen Treffen eingeladen. Sie bat 100 Künstler, sich mit diesem in vielerlei Hinsicht so anderen Frühling auseinanderzusetzen. Zehn Tage hatten sie Zeit, um ihre Ideen in kurzen Videos zu verwirklichen. Ein geglücktes Unterfangen, denn "ArtsForSpring" bietet ein buntes Sammelsurium an künstlerisch meist sehr hochwertigen Beiträgen, das viel über aktuelle Befindlichkeiten erzählt und in dem es sich genussvoll stöbern lässt.
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Tänzer, Schriftsteller, Musiker, Sounddesigner, Bildhauer, Maler, Zeichner, Videokünstler und Wissenschaftler haben sich Gedanken über die Jahreszeit gemacht. Und, was Wunder bei dem Thema, in vielen Videos spielen blühende Bäume, Blumenwiesen, sanft murmelndes oder laut rauschendes Wasser sowie Vogelgezwitscher wichtige Rollen, fast wichtiger als das allüberall lauernde Virus. Videokünstler Christoph Brech hat einen roten "Corona-Mond" beobachtet, der sich zäh und doch betörend schön in den Abendhimmel schiebt. Katja Aujesky, Sängerin und Songwriterin aus Berlin, intoniert im "Corona-Chor" mit den von ihr getrennt lebenden Familienmitgliedern "Wenn ich ein Vöglein wär", während der Münchner Kameramann Tobias Tempel abgesperrte Spielplätze unter knospenden Sträuchern entdeckt. Und der interdisziplinär arbeitende Künstler Dominikus Landwehr widmet sich in "Shut down - Face Up (Covidblau 1)" dem flugzeugleeren und kondensstreifenfreien Himmel über Frankfurt.
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Natürlich gibt es auch Künstler, die allein den Frühling feiern. Der Spoken-Word-Lyriker Dalibor Marković würdigt die Jahreszeit wortgewaltig als "langsamstes Feuerwerk auf Erden - ich hoffe inständig, es wird niemals schneller werden." Julia Willms lässt in "Room01" ein graues, abgewohntes Zimmer schön langsam ergrünen. Witzig ist Steffen (&) Lars Popps Beitrag "Mit entfliehst". Popp - er firmiert je nach Arbeitsbereich unter einem seiner zwei Vornamen (Steffen inszeniert, Lars schreibt) - stapft in einem Wald von Baum zu Baum. An jedem hängt ein Blatt Papier mit einem Zweiwortsatz. Da reimt sich dann auf "Mit entfliehst" eben "Vogel piepst", "Düfte siebst", "Erde wiest", "Kanne gießt", "Waldmaus siehst", "Nase niest" und so weiter - auf jeden Fall sehr lustig.
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Die Musiker hingegen inszenieren sich selbst gern in der Natur, überzeugt davon, dass Musik stärker ist als jedes Virus. So formuliert es jedenfalls der norwegische Saxofonist und Komponist Karl Seglem. Er jazzt, an einem Lagerfeuer sitzend und begleitet von seiner unsichtbaren Band, mit einem "Oxofon", einem Instrument, das er sich aus dem Horn eines Nantesbucher Auerochsen gebaut hat. Angenehm zuzuhören ist auch dem gelassenen, unaufgeregten Spiel des jungen Schlagzeugers Christian Felix Benning, der auf einer Wiese die "Fuga Ritmica 250" interpretiert, seine Variationen zu Beethovens Egmont-Ouvertüre. Cellistin Anja Lechner gibt in "Spring is here" zu stimmungsvoll dramatischen Naturstudien das Präludium in D Minor von Carl Friedrich Abel. Der Via-Nova-Chor München konzentriert sich dagegen auf Volkslieder und lässt zu "Ade zur Guten Nacht" Löwenzahnmarionetten tanzen.
Amüsant ist die Beethoven-Interpretation des Kuss Quartetts. Gemeinsames Musizieren geht nicht, also spielt jeder seine Stimmen für sich, dies aber gleichzeitig und bei freier Stückwahl. Das Ergebnis: eine wunderbare dissonante Mischung aus Beethoven-Schnipseln. Ebenso vergnüglich ist Mezzosopranistin Ulrike Mayer, die Hanns Eislers Brecht Vertonung "Vom Sprengen des Gartens" singt und durch einen Gartenmarkt hetzt, ein guter Platz, um nach dem Frühling zu suchen.
Apropos Brecht: Schriftsteller John von Düffel sitzt auf Totholz - er nennt es "Baumleichen" - und dichtet angesichts des schlechten Zustands des Walds Zeilen aus Brechts "Gedicht an die Nachgeborenen" um: "Was sind das für Zeiten, wo ein Schweigen über Bäume das Gespräch über so viele Untaten ausschließt." Deutlich härter in der Aussage ist das Video des Berliner Künstlerkollektivs Peng, das zu Bildern aus dem Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos Annette von Droste-Hülshoffs "Der Frühling ist die schönste Zeit" aktualisiert, eine bitter-scharfe Erinnerung daran, dass es auch noch andere Probleme als die Corona-Krise gibt.
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Spannend das Experiment des Schweizer Forscher und Komponisten Marcus Maeder, der das Wachsen der Bäume hörbar macht. Er verwendet Sonifikationen von Wachstumsdaten, die an drei Stellen eines Baumes gemessen wurden. Die Zahlenreihen aus der Messung, also die Wachstumsschübe des Baumes, nutzt er, um die Tonhöhe der computergenerierten Klänge zu steuern. Trautonium-Experte Peter Pichler blickt hingegen mit "Frühling 2045" in die Zukunft. Dort versucht der Wissenschaftler Max die verstummte Natur mit synthetischen Klängen zum Leben zu erwecken. Das klappt, aber erst als er Schuberts Andante con moto aus dem Trio Es-dur auf dem Trautonium spielt.
Übrigens: Die Künstler haben nicht umsonst gearbeitet. Die Stiftung hat ihre Beiträge honoriert, um in Zeiten der Corona-Pause jene zu unterstützen, mit denen sie in den vergangenen Jahren zusammen gearbeitet hat. Da könnte sich doch manch andere Einrichtung ein Beispiel nehmen.
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