Video-Überwachung am Hauptbahnhof:Vorsicht, Kamera!

Nach Nürnberg soll nun auch München mit der so genannten mobilen Videoüberwachung ausgestattet werden. Innenminister Beckstein plant, in den nächsten Wochen eine digitale High-Tech-Anlage zur Kriminalitätsbekämpfung im Umfeld des Hauptbahnhofs zu installieren. Kritik kommt von den Grünen und von Bayerns Datenschutzbeauftragtem.

Dominik Hutter

Überwacht werden die Münchner schon heute: Die Polizei hat Zugriff auf rund 900 öffentliche Kameras - die der Verkehrsüberwachung etwa oder die des Sicherheitssystems für die U-Bahn. Auch der Hauptbahnhof ist kein weißer Fleck: 70 Kameras beobachten das Geschehen in und um die Abfertigungshalle.

Die jetzt geplante Anlage wäre jedoch die erste, die explizit zur Kriminalitätsbekämpfung durch die Polizei installiert wird. Hintergrund ist eine Gesetzesänderung vom September 2001, die den Einsatz polizeilicher Kameras an öffentlichen Plätzen zulässt - vorausgesetzt, es handelt sich um "Kriminalitätsschwerpunkte". Das Pilotprojekt wurde 2002 in Nürnberg gestartet - und hat Beckstein offenbar so überzeugt, dass er nun auch München "nachrüsten" will.

Ein entscheidender Vorteil der neuen Kamera sind die Schärfe der Bilder und die Flexibilität: Das drahtlose Digitalsystem, das Schwenks und auch Zooms zulässt, kann schnell ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Die Daten dürfen für zwei Monate gespeichert werden. Wie groß die Erfolge in Nürnberg tatsächlich ausgefallen sind, ist allerdings schwer zu belegen: Ministeriums-Sprecher Michael Ziegler verweist auf Platzverweise für aggressive Bettler ebenso wie auf Taschendiebe und das subjektive Sicherheitsgefühl der Passanten. Zahlen hat er aber nicht parat - weder für Nürnberg noch für den Münchner Hauptbahnhof.

Eben die vermisst jedoch Bayerns Datenschutzbeauftragter Reinhard Vetter, der eine flächendeckende Überwachung auf jeden Fall verhindern will. Die Einsatzvoraussetzungen einer solchen Kamera müssten "dezidiert geprüft werden" - so verlange es das Gesetz. Vetter hat sich bereits per Brief ans Innenministerium gewandt, Zahlen angemahnt und die Verwendung einer datenschutzfreundlichen Software vorgeschlagen.

Letztere macht alle Gesichter unkenntlich - ein Effekt, der dann bei einem konkreten Tatverdacht rückgängig gemacht werden kann. Eine Antwort steht noch aus.

Auch Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle, der die Videoüberwachung in gewissen Fällen durchaus sinnvoll findet, plädiert dafür, den Einsatz des neuen Systems sehr sorgsam abzuwägen. Eine "konkrete Begründung" durch das Innenministerium sei unabdingbar.

Deutlichere Worte findet Siegfried Benker, der Grünen-Fraktionschef im Rathaus: "Die Freiheit stirbt zentimeterweise" - es handle sich um eine weitere Beschneidung des vom Bundesverfassungsgericht festgelegten informellen Selbstbestimmungsrechts. Bereits heute seien zwischen Hauptbahnhof und Marienplatz genügend Videokameras installiert, um jede Person lückenlos überwachen zu können.

Für Benker ist vor allem die Qualität der nun verwendeten Technik entscheidend. Die hochauflösende Videoüberwachung ermögliche, anders als viele ältere Kameras, die gezielte Überwachung von Einzelpersonen. Becksteins Resümee aus Nürnberg beweise, dass Video "immer mehr ein Überwachungsinstrument für Randgruppen wird". Viel sinnvoller als die 100.000-Euro-Investition sei der verstärkte Einsatz von Streifenpolizisten.

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