Verzicht auf Darlehen:Geld für Verkehrsprojekte

Bauarbeiten für zweite S-Bahn Stammstrecke in München, 2018

Am neuen S-Bahn-Tunnel wird schon gearbeitet. Nun kündigte der Bund an, sich sofort an der Finanzierung zu beteiligen, der Freistaat bleibt damit flüssiger.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bund beteiligt sich ohne Umwege an der zweiten Stammstrecke

Von Andreas Schubert

Lange haben der Freistaat und der Bund um die Finanzierung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke gerungen. Im Oktober 2016 schließlich besiegelte man ein ungewöhnliches Finanzierungssystem: Der Freistaat streckt dem Bund einen Großteil seines Anteils vor und bekommt das Darlehen nach der Fertigstellung der Stammstrecke zurückgezahlt. Am Dienstag verkündete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Ministerrat nun Überraschendes: Der Bund verzichtet auf die Vorfinanzierung durch den Freistaat.

Dass dem Bund das Geld offenbar auf einmal so locker sitzt, lässt fast vergessen, dass lange Zeit gar nicht sicher war, ob der Bund überhaupt Geld für die Stammstrecke zuschießt. Das liegt daran, dass sich im Laufe der Jahre die Kostenschätzungen ständig in die Höhe geschraubt hatten. Mitte der Nullerjahre hatten die Bahningenieure das Bauwerk auf eineinhalb Milliarden Euro geschätzt. 2011 verkündete dann Bayerns damaliger Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) den Durchbruch bei der Finanzierung. Nach damaliger Prognose sollten bereits im Jahr 2020 S-Bahnen durch den neuen Tunnel fahren, doch schon 2011 waren die Kosten auf mehr als zwei Milliarden Euro gestiegen. Aus dem Baustart wurde nichts, weil die Zusage des Bundes, rund die Hälfte der Kosten zu übernehmen, wegen der höheren Kosten nicht belastbar war. Weil die Finanzierungsfrage auch in den Jahren danach nicht geklärt werden konnte, musste der Baustart wiederholt verschoben werden - mit der Zeit wurde das Projekt dann immer teurer: Derzeit rechnet die Bahn mit 3,2 Milliarden Euro. Und mit einem Risikopuffer, den die Bahn eigenen Aussagen nach aber nicht ausschöpfen will, liegen die Kosten sogar bei 3,84 Milliarden Euro. Skeptiker und Tunnelgegner, wie zum Beispiel die Grünen, runden den Betrag dagegen von Haus aus schon auf vier Milliarden Euro auf. Gleichzeitig führen sie ins Feld, dass es wegen der Bundesmittel für die Stammstrecke in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die aus den Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes stammten, in Bayern schwieriger wird, andere Verkehrsprojekte vom Bund gefördert zu bekommen. Das räumte auch die Staatsregierung bereits voriges Jahr ein.

Nun freut sich Söder, dass gut eine Milliarde Euro für andere Projekte übrig bleibe. Welche das sind, ließ er offen, das Geld könnte aber durchaus in den Ausbau des Nahverkehrs in Bayern fließen. Davon könnte auch der Raum München profitieren. Bekanntermaßen fordern die Landkreise, dass die geplante Tarifreform des MVV überarbeitet wird. Weil dies, je nach Variante, mehrere Millionen Euro kosten würde, hoffen sie auf eine Beteiligung des Freistaats.

Freilich könnte es auch sein, dass das Geld ganz anders verwendet wird: Bekanntermaßen schwärmt Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner neuerdings auffällig oft für urbane Seilbahnen. Eine Machbarkeitsstudie für die Landeshauptstadt ist bereits geplant. Und geht es nach Aigner, könnten Seilbahnen auch in anderen bayerischen Kommunen entstehen: Unter Federführung ihres Ministeriums werde derzeit ein Leitfaden für städtische Seilbahnen erarbeitet, den alle Kommunen in Bayern erhalten sollen.

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