Verschwörungstheorien:Der Prozess des Zweifelns

Von Osama auf Dollarnoten bis Area 51 - eine Ausstellung in der lothringer 13 geht Verschwörungstheorien auf den Grund.

EVELYN RUNGE

Das Satellitenbild zeigt eine wohlgeordnete Ansammlung von Gebäuden, daneben lange weiße Linien, die Startbahnen sein könnten oder Auto-Teststrecken, und andere, die in der Fantasie des Menschen ein Haus ergeben können. Oder einen Backofen. Ein roter Pfeil weist auf eines der Vierecke auf dem Schwarz-Weiß-Bild; konkret erkennen kann man nichts. Der Künstler Alexis Dworsky (27) und die Soziologin Anne Hacket (30) präsentieren Verschwörungen, Theorien und Techniken in der lothringer 13.

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(Foto: Foto: oh)

Bei der Recherche fiel ihnen immer wieder das Prinzip der Unschärfe auf: "Details, die keiner erkennen kann, werden als Beweis genommen", sagt Dworsky - ein kleiner Beleg ist das Bild auf der Einladungskarte zu ihrer Ausstellung "conspiracy - nichts ist wie es scheint!!!" Angeblich zeigt die Luftaufnahme Area 51, ein sagenumwobenes Sperrgebiet in der Wüste Nevadas. Dort durchstreifen Menschen die Region auf der Suche nach Beweisen, dass die Außerirdischen geheime Sachen mit den Amerikanern machen. Ein schwarzer Briefkasten avancierte gar zum Kulttreff von Konspirologen.

Kennen gelernt haben sich Hacket und Dworsky vor einem Jahr bei einem Salon der Münchener Künstlerin Annette Schemmel. Dworsky referierte über Krieg und Medien; Hacket fiel auf, dass viele Gäste sich danach über Verschwörungen unterhielten. "Welche Funktion haben Verschwörungstheorien, und warum glauben Menschen daran?", fragte sich die Soziologin - und hielt beim nächsten Salon eine wissenschaftliche Erwiderung auf Dworskys Vortrag. "Danach war klar: Wir wollen was gemeinsam machen."

Hacket und Dworsky zeigen eigene Texte und Dioramen zu Verschwörungstheorien in Naturwissenschaften, Politik und Kultur. Sie bedienen sich dabei ähnlicher Methoden wie Verschwörer: Je tiefer man in die Welt der Theorien eintaucht, desto mehr Verknüpfungen entdeckt man, inhaltlich wie ästhetisch: Bestimmte Symbole, Orte und Personen tauchen in unterschiedlichen Zusammenhängen auf, seien es Dattelpalmen - auf irakischen Geldscheinen und am Erdloch von Saddam Hussein - oder Arnold Schwarzenegger. Der Wiedererkennungseffekt ist groß, und Dworsky vermutet, dass "das Thema auch deshalb so viele Menschen anspricht".

Verschwörungstheorien habe es schon immer gegeben - "durch das Internet finden sie jedoch schnellere Verbreitung". Hacket und er halten sich mit ihrer Meinung zurück - doch "wenn man bereit ist, an der offiziellen Seite zu zweifeln, sollte man auch an der anderen Seite zweifeln", sagt Dworsky. An sechs Abenden laden Hacket und Dworsky Besucher und (Grenz-)Wissenschaftler, Journalisten und Künstler zu Diskussion, Recherche, Workshop und Exkursion ein. Dabei sei es schwierig gewesen, die Balance zu halten: Zwischen Anhängern von Verschwörungstheorien und Gegnern klaffen Welten.

Begegnen wollen sie sich nicht, und so laden Hacket und Dworsky an dem einen Abend Grenzwissenschaftler aufs Podium - und an einem anderen Ingo Knopf vom WDR, der in seriöse, journalistische Recherche einführt und scheinbar ungeklärte Fragen beantwortet.

"Im heutigen Supermarkt der Erklärungen wird es immer schwieriger, sich für eine Erklärung zu entscheiden", meint Anne Hacket. "Jeder sucht sich raus, was für ihn am besten ist." Und so sollen auch die Besucher selbst entscheiden, wie es wirklich ist. ("conspiracy - nichts ist wie es scheint!!!", program angels / lothringer 13.

Vernissage heute, 20 Uhr. Bis 23. Juni, Donnerstag bis Sonntag, 16 bis 19 Uhr. www.programangels.org.)

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