Süddeutsche Zeitung

Demo mit Neonazis:Blume-Beyerle will schärferes Gesetz gegen Pegida

Pegida durfte in der Innenstadt von einem symbolträchtigen NS-Ort zum nächsten ziehen - das will Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle nicht mehr dulden.

Von Dominik Hutter

Nach mehreren Niederlagen vor Gericht regt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle eine politische Debatte über die Änderung des bayerischen Versammlungsgesetzes an. Demonstrationen wie die von Pegida am Montagabend, die in Begleitung von polizeibekannten Neonazis von einem Symbolort der NS-Diktatur zum nächsten gezogen war, dürften nicht einfach so hingenommen werden, findet Münchens Ordnungs-Chef.

Zwar stehe im Artikel 15 des Gesetzes, dass Versammlungen untersagt werden können, wenn sie an historisch vorbelasteten Stellen die Würde von NS-Opfern verletzen oder aber die Nazi-Diktatur verherrlicht oder verharmlost wird. Das Gesetz sei aber "sehr eng formuliert" und könne daher seinen eigentlichen Zweck nicht erfüllen, warnt Blume-Beyerle.

Veto des KVR ausgehebelt

Das Verwaltungsgericht hatte am Montag die von Pegida angemeldete Streckenführung gebilligt und damit ein Veto des Kreisverwaltungsreferats ausgehebelt. Die Stadt hat aber auch in ähnlichen Fällen schon verloren - bei der Eröffnung des NS-Dokuzentrums etwa oder bei der Demo zum NSU-Prozess.

Blume-Beyerle will das Thema im nächsten Rechtsausschuss des bayerischen Städtetags ansprechen und denkt zudem über eine Stadtratsinitiative nach. Diesen Schritt nehmen ihm allerdings möglicherweise die Grünen ab.

Deren Stadtrat Dominik Krause, der am Montag an der Gegendemonstration teilnahm, berichtete von entsprechenden Überlegungen in seiner Fraktion. Die Versammlung sei vom Charakter her nicht mehr rechtspopulistisch gewesen, sondern habe klare neonazistische Züge aufgewiesen.

Auch Marcus Buschmüller von der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus fand die politischen Inhalte "äußerst radikal". Mit Karl-Heinz Statzberger und Thomas Schatt seien zudem "zwei verurteilte Rechtsterroristen" unter den Teilnehmern gewesen.

Am Montag waren nach Polizeiangaben rund 140 Pegida-Sympathisanten und 150 Gegendemonstranten durch die Stadt gezogen: Auf der ursprünglich avisierten Route - dank eines Urteils des Verwaltungsgerichts München, das keinen Zusammenhang zwischen dem Thema der Demo, dem zu erwartenden Verhalten ihrer Teilnehmer und dem Zeitpunkt sah.

Für eine von Behörden angeordnete Verlegung reiche es nicht aus, wenn die Versammlung lediglich an einem Ort mit Symbolkraft für die Nazi-Diktatur stattfinde, so die Richter. Pegida hatte im Vorfeld bereits von sich aus zumindest den Platz der Opfer des Nationalsozialismus aus dem Programm genommen.

Zug zum Königsplatz

Der Demonstrationszug führte schließlich vom Stiglmaierplatz zum Königsplatz, dem Schauplatz der Bücherverbrennung sowie zahlreicher NS-Aufmärsche. Weiter ging es durch die Brienner Straße am NS-Dokumentationszentrum vorbei über den Karolinen- und Promenadeplatz zum Odeonsplatz, an dem 1923 der gescheiterte Hitlerputsch stattfand.

Pegida begründete die Auswahl dieser Orte überwiegend mit den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts: In der Theatinerkirche am Odeonsplatz liege die Gemahlin des Kurfürsten und Türkenkrieg-Teilnehmers Max Emanuel II. begraben. Dessen Denkmal wiederum steht am Promenadeplatz ("Eroberer Belgrads").

Am Karolinenplatz werde, so Pegida, der Opfer der Türkenkriege gedacht - was nach Auskunft des Stadtarchivs falsch ist: Der Obelisk erinnert an die 30 000 Bayern, die am Russland-Feldzug Napoleons 1812 teilgenommen hatten.

Für Blume-Beyerle ist die Pegida-Argumentation aber ohnehin ein "Witz". Die Begründung für die Ortswahl sei "an den Haaren herbeigezogen" und "ein Hinweis, dass sie zündeln".

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SZ vom 16.09.2015/doen
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