Süddeutsche Zeitung

Verrückter Eisladen in der Maxvorstadt:Biereis im Wunderland

Lesezeit: 3 Min.

Zitrone-Paprika, Augustiner-Bier, Gorgonzola und Mozzarella-Basilikum: Beim "Verrückten Eismacher" gibt es nicht nur ungewöhnliche Sorten - auch die Inneneinrichtung der Eisdiele ist alles andere als gewöhnlich.

Laura Bohlmann

Kalt liegt es auf der Zunge und zergeht langsam. Von butterweich-gefroren bis flüssig-erfrischend wechselt das Eis seinen Aggregatzustand. Der Geschmack von Bier macht sich langsam im Gaumen breit. Ein Hauch Süße übertüncht das leicht bittere Aroma. Dann ist das kulinarische Erlebnis die Kehle hinuntergeglitten. Die Geschmacksknospen sind leicht überfordert.

Matthias Münz steht mit einem Eislöffel in der Hand hinter seiner Vitrine und schaut erwartungsvoll. "Das Biereis ist der Renner", sagt er.

Seit zwei Wochen sind die Türen des "Verrückten Eismachers" geöffnet. Wer eintritt, wird von einem breit grinsenden jungen Mann mit Hut hinter der Vitrine begrüßt. Matthias Münz ist Inhaber, Eismacher und Verkäufer in einem. Direkt am Hintereingang der Ludwig-Maximilians-Universität in der Amalienstraße zaubert der 25-Jährige seine Eiskreationen. "Bei den Studenten kommt mein Biereis gut an", sagt er und lacht.

Student war er selbst bis vor kurzem. Matthias Münz hat an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München einen Bachelor in Tourismusmanagement gemacht. Seine Abschlussarbeit schrieb er über Eisdielen und setzte sein theoretisches Konzept danach gleich in die Tat um. "Das war so ein Traum von mir, irgendwann mein eigenes Eis zu machen", erklärt er.

Schon als Kind hat der "Verrückte Eismacher" gerne Gelato gegessen. "Da habe ich mir manchmal fünf Kugeln am Tag geholt." Münz fährt mit seiner Zunge über die Lippen - so, als würde der Geschmack aus der Kindheit noch auf ihnen liegen. Irgendwann hat er angefangen, den Eismachern über die Schulter zu schauen. "Ich habe heute viele Freunde in Italien, die haben eigene Eisdielen. Bei denen habe ich mein Handwerk gelernt", erzählt er.

In seiner Küche verwendet der gebürtige Regensburger ausschließlich frische Zutaten. Früchte, Milch und Zuckerarten werden aus regionalem Anbau bezogen, jeden Tag bereitet er eine Eissorte zu. "Mir ist wichtig, dass mein Eis eine gute Qualität hat. Man kann es zwar theoretisch eine Woche oder länger verkaufen, aber dann schmeckt es nicht mehr so gut."

Der 25-Jährige ist mit Leidenschaft bei der Arbeit. Jeden Morgen ab sieben Uhr steht er in seiner Küche. Dort stellt er die Zutaten zusammen, mischt Zucker und Milch hinzu. "Erst entsteht ein Sorbet. Dann wird es erhitzt bevor es in die Eismaschine kommt", erklärt er seine Arbeitsschritte. Die Küche ist blitzblank, große silberfarbene Eimer warten auf ihren Einsatz. "Hygiene ist bei der Eisproduktion wichtig", sagt Münz. Aus seiner Kühlvitrine im Laden wird das fertige Eis dann kugelweise verkauft.

So bunt wie seine Rezepte ist auch die Eisdiele an sich. Motive aus "Alice im Wunderland" zieren die Wände und transportieren das Gefühl von Kindheit und einer anderen Welt. Der Laden ist himmelblau, bonbonrosa und meertürkis gestrichen, Graffiti aus dem Wunderland erzählen die Abenteuer von Alice, dem Hasen und der Grinsekatze.

Rechts von der Tür sitzt ebendiese breit grinsend an der Wand, gegenüber zeigt die Königin mit mürrischem Gesicht auf eine Vitrine. Hinter der Theke zieht der große weiße Hase an einer Wäscheleine, an der Spielkarten angebracht sind. Auf ihnen steht das Angebot von Matthias Münz. Eine Freundin von ihm hat die Wände in nächtelanger Arbeit bemalt, besprayt und betupft. "Alice im Wunderland" passe gut zu ihm, sagt der noch taufrische Eismacher. Wie in dem Märchen können die Kunden auch in seiner Auslage auf Ungeahntes stoßen.

Das Eis türmt sich in der großen Kühlvitrine in Form von Eisbergen vor den Augen der Kunden. Neben Bier führt Matthias Münz so ausgefallene Sorten wie Zitrone-Paprika, Gorgonzola oder "Alice": Hinter dem Namen verbirgt sich Roseneis. Die Klassiker Schokolade, Bacio und Stracciatella hat Münz aber auch in seinem Sortiment.

Es gibt nichts, aus dem man kein Eis machen könnte", sagt der Jungunternehmer. Er probiert und experimentiert mit den unterschiedlichsten Zutaten. "Am Anfang gab es Mozzarella-Basilikum Eis, dazu habe ich Tomateneis angeboten - das ging weg wie warme Semmeln." Nur die Maschine müsse jedes Mal sehr aufwendig gereinigt werden.

Eine Gruppe Briten kommt herein, eigentlich wollten sie einen Eiskaffee trinken. Als sie aber das Etikett mit der Aufschrift "Bier" sehen, fangen sie an zu kichern und fragen ihn, ob das wirklich Biereis sei. Matthias Münz grinst.

Jetzt ist er in seinem Element. Er erklärt die Zutaten und wie er auf die Idee gekommen ist, Bier zu Eis zu machen, dann reicht er jedem einen Löffel zum Probieren über die Vitrine. Eine Engländerin begutachtet das Eis erst vorsichtig, dann schiebt sie es in den Mund und gibt ein erstauntes "Wow" von sich. Es schmeckt ihr. Unerwartet sei es, aber gut.

Münz zieht den Hut. "Einmal ist mir das Biereis ausgegangen, die Kunden waren richtig enttäuscht. Jetzt werde ich das dauerhaft führen", sagt er. Matthias Münz steht mit Zylinder auf dem Kopf hinter seiner Eisvitrine und sieht aus wie ein Zauberer. Einer mit ziemlich verrücktem Geschmack.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2012
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