Vermögen der Kirche:Selig die Reichen

Kuppelfresko in der Dreifaltigkeitskirche in München, 2013

Diese Kirche ist einen Euro wert: So bewertete das Erzbistum die Dreifaltigkeitskirche in der Vermögensbilanz.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Das Erzbistum von München und Freising besitzt etwa 6,3 Milliarden Euro Vermögen.
  • Statt diese hohe Summe zu kritisieren, loben viele Organisationen das Bistum für dessen Transparenz.

Von Heiner Effern, Christian Krügel und Jakob Wetzel

Etwa 6,3 Milliarden Euro Vermögen hat das Erzbistum München und Freising, das damit eine der reichsten Diözesen weltweit sein dürfte. Doch die Bilanz, die Generalvikar Peter Beer erstmals für das Erzbistum vorgelegt hat, stößt keineswegs auf Neid und Kritik - im Gegenteil.

Selbst Gruppen, die der Amtskirche an sich kritisch gegenüberstehen, loben die Transparenz, mit der die Kirche ihre Vermögensverhältnisse offengelegt hat. Und für die bayerische Staatsregierung ist das Milliardenvermögen noch lange kein Grund, die Millionensummen, die der Freistaat jährlich an die katholische Kirche überweist, infrage zu stellen. Im Gegenteil: "Staatliche Transferleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften sind sinnvoll", sagt der für Kirchenfragen zuständige Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU).

Nach jahrelanger Vorbereitung hatte das Erzbistum für das Jahr 2015 erstmals eine Bilanz erstellt, wie es sie das Handelsgesetzbuch für Unternehmen vorsieht. Dazu musste nicht nur ein gewaltiger Kassensturz gemacht, sondern es mussten auch Hunderte Verträge und Konten überprüft und Liegenschaften bewertet werden. Am Ende stand eine gewaltige Summe: 6,3 Milliarden Euro besitzt das Erzbistum.

Vermögen der Kirche: SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Finanzministerium

SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Finanzministerium

Im Vergleich zu den evangelischen Brüdern und Schwestern im Freistaat ist das tatsächlich viel: Die evangelisch-lutherische Landeskirche Bayern hat bereits für 2014 eine vergleichbare Bilanz vorgelegt, die Vermögenswerte im gesamten Freistaat umfasst. Sie kommt auf rund 3,1 Milliarden Euro, wovon etwa 1,8 Milliarden in Versorgungsfonds für die Pensionen gebunden sind. Wie beim Erzbistum ist das Vermögen der einzelnen Kirchengemeinden nicht mitgerechnet.

Im Vergleich aber ist der Reichtum fast schon wieder relativ

Vergleicht man das Vermögen des großen Erzbistums aber mit einer großen Kommune, relativiert sich der Reichtum fast schon wieder. 2014 besaß die Stadt München ein Gesamtvermögen von 22,5 Milliarden Euro. Große Einzelposten sind bei ihr zum Beispiel Grundstücke (3,6 Milliarden) und Gebäude (3,8 Milliarden).

Darin eingerechnet sind etwa alle städtischen Schulen und Kitas, die Bauten der Verwaltung oder die Sozialbürgerhäuser. 6,8 Milliarden Euro machen Finanzanlagen aus, die auch sämtliche Unternehmen, die der Stadt gehören, umfassen oder an denen sie Anteile besitzt.

Im Vergleich mit der Stadt zeigt sich aber auch, dass die Gesamtsummen leicht trügen können. Das Erzbistum etwa hat Kirchengebäude nur mit symbolischen Ein- und Zwei-Euro-Werten miteingerechnet, die Stadt dagegen allein das Neue Rathaus mit insgesamt 148 Millionen Euro - obwohl es wohl nie verkauft werden wird. Weil diese Bewertung so knifflig sei und man anders bilanziere als Erzbistum und Landeshauptstadt, gebe es auch keine solche Vermögensbilanz für den Freistaat Bayern, heißt es aus dem Finanzministerium. Vergleiche erübrigten sich also.

Und Kritik von politischer Seite am Vermögen des Erzbistums offenbar auch. Jedenfalls sieht Kultusminister Spaenle keinen Grund dafür: "Gerade die großen christlichen Kirchen erbringen einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben, etwa bei Kindertageseinrichtungen oder Schulen", sagte Spaenle der SZ. Und im Übrigen sei der Freistaat "vertragstreu" und halte sich an das, was damals in Folge der Säkularisation im Konkordat von 1924 als staatliche Zahlung mit der Kirche vereinbart worden sei.

Glaube an einen epochalen Wandel

Darüber zumindest zu verhandeln, sei aber legitim, sagt Ulrike Gote, religionspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen: "In Anbetracht der rückläufigen Mitgliederzahlen und zahlreicher Austritte bei den großen Kirchen stellt sich tatsächlich die Frage, ob die Staatsleistungen noch gerechtfertigt sind." Deshalb sollten "in naher Zeit Verhandlungen über deren Ablösung aufgenommen werden", so Gote. Sie lobt aber auch, dass das Erzbistum nun eine saubere Bilanz öffentlich gemacht habe - das sei eine langjährige Forderung der Grünen gewiesen.

Auch von den Laiengruppen in der Kirchen gibt es dafür viel Beifall. "Es ist anzuerkennen, dass man wirklich um Transparenz bemüht ist und versucht, die Dinge neu zu strukturieren. Das ist ein guter Schritt", sagt Paul-Gerhard Ulbrich, Sprecher der Reformgruppe "Gemeindeinitiative". Hans Tremmel, als Diözesanratsvorsitzender oberster Laienvertreter im Erzbistum, glaubt gar an einen epochalen Wandel.

Die Kirche mache deutlich, dass "man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und dass es nichts bringt, wenn man Dinge kaschiert". Die Lösung, das Geld in drei Stiftungen anzulegen, schließe "Mauscheleien aus, man schmort nicht mehr im eigenen Saft". Und sie binde künftig die Leitung der Diözese, das Geld zweckgebunden einzusetzen. Deshalb habe das Modell Vorbildcharakter für andere Bistümer.

An der Höhe des Vermögens stößt sich niemand

Das sieht selbst die sonst sehr kritische Gruppe "Wir sind Kirche" so. Deren Deutschland-Sprecher Christian Weisner fordert aber auch eine intensive Kontrolle der neuen Stiftungen. "Das Entscheidende ist: Wer entscheidet über das Geld? Und wie effektiv ist das für kirchliche Zwecke wirklich nutzbar", sagt Weisner. Er kritisiert, dass in den Aufsichtsgremien der Stiftungen weitgehend dieselben Personen sitzen und Generalvikar Beer überall den Vorsitz hat. "Das ist kein partizipativer Ansatz", so Weisner.

An der Höhe des Vermögens stößt sich niemand. "Es kommt nur darauf an, für was es eingesetzt wird", sagt Ulbrich. "Wenn Gemeinden ausbluten, investiert man dann in Weiterbildungen, um Glaubensthemen moderner präsentieren zu können, oder verwaltet man dann nur Gebäude?" Für Tremmel muss das soziale Engagement noch mehr in den Mittelpunkt rücken - vom Kindergarten bis zur Obdachlosenhilfe.

Johanna Rumschöttel, Vorsitzende des Münchner Katholikenrates, sieht dort die große Chance: "Die Kirche muss Zeichen setzen in der Gesellschaft und könnte verstärkt dort investieren, wo sich die Politik noch nicht hintraut." Das gelte insbesondere für Integrationsarbeit mit Flüchtlingen, aber auch für Wohnprojekte und Pflegeeinrichtungen. Sie wünscht sich eine Diskussion über den Umgang mit dem Reichtum und erinnert an das Thema der letzten Katholikenrats-Versammlung: Armut in München.

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