Verleih von Tieren:Ein Haustier auf Zeit

Germering: Offener Leseabend der Germeringer FrauenInitiative, GeFI

Imker Markus Tietz betreut die Bienen im Garten der Familie Klindt.

(Foto: Johannes Simon)

Was tun, wenn man eigentlich schon zu alt ist für einen Hund? Oder man ein einsames Kaninchen oder viele Blumen, aber keine Bienen hat? Viele Tiere lassen sich auch ausleihen. Ein Überblick.

Von Jasmin Siebert

Königin Hannelore wohnt mit ihren 50 000 Arbeiterinnen und Drohnen in einem Garten in Gröbenzell, in dem das Grün üppig wuchert. "Unsere Bienen", sagen die Kinder der Familie Klindt, die der Bienenkönigin den Namen Hannelore gegeben haben. Aufgestellt aber hat den Holzkasten im Mai dieses Jahres Markus Tietz - und dem gehören die Bienen eigentlich. Er hat sie an Familie Klindt nur vermietet.

Die Idee, Bienen zu vermieten, hatte ein Hobbyimker aus Bremen. Vor zwei Jahren gründete Dieter Schimanski Bee-Rent, Anfang des Jahres hat Markus Tietz als erster Vertriebspartner in Süddeutschland das Konzept übernommen. Die Idee: den Bienen Lebensraum zu bieten und den Kunden ein Naturerlebnis ohne viel Arbeit, das sich noch dazu in Honiggläser füllen lässt.

Markus Tietz, Typ Naturbursche, führt eigentlich eine Firma für Garten- und Landschaftsbau. Die würde der 52-Jährige gerne in die Hände seines Sohns legen und nur noch imkern. Er hat inzwischen 25 Völker, sechs davon sind vermietet. Eine Firma für Dichtungen postet Fotos der gelben Kästen mit dem Aufdruck "Bee-Rent" auf Facebook, Angestellte einer Anwaltskanzlei unternahmen einen Betriebsausflug zu "ihren" Bienen, die Tietz auf Wunsch seiner Kunden bei sich aufgestellt hat. Die Zahl der Bienen in Europa geht immer weiter zurück. "Honig kann man importieren, die Bestäubungsleistung aber nicht", sagt Tietz. Dabei sind die gewöhnlichen Honigbienen gar nicht wählerisch, anders als Wildbienen schmeckt ihnen der Nektar von 80 Prozent der einheimischen Pflanzen.

Als Garten- und Landschaftsbauer versucht Tietz seinen Kunden deshalb nahezubringen, dass sie lieber zur heimischen Quitte greifen statt zur teilweise giftigen Forsythie, die die meisten Insekten meiden. Beim Imkern orientiert sich Tietz an Demeter-Standards, um den Eingriff in die Natur möglichst gering zu halten. Bei Bee-Rent gefällt ihm, dass er die Bienen nicht auf maximalen Ertrag trimmen muss. Und das Konzept erlaubt dennoch, mit Bienen Geld zu verdienen, was sonst eher schwierig ist. 150 Euro im Monat zahlt Familie Klindt für ihre Bienen und etwa 20 Kilogramm Honig. "Ich sehe das als Investment für unsere Kinder. Die Erfahrung, dass sie lebende Natur sehen können, ist mir das Geld wert", sagt Vater Thomas Klindt.

Der Anwalt wohnt mit seiner Frau und den fünf Kindern seit zwei Jahren im eigenen Haus mit Garten, Goldfischteich und Kater. Als sie die Flyer von Bee-Rent in ihrem Briefkasten fanden, waren sie sich schnell einig, dass sie Bienen mieten wollten. Ein großes Familienevent war es, als der Vater gleich zu Beginn gestochen wurde. "Ich war selber schuld. Ich habe mich in die Einflugschneise gestellt", erzählt er. Tietz tauschte das erste Bienenvolk dann gegen ein Volk seiner friedlichsten Rasse aus. Seit Buckfastbienen im Garten stehen, wurde niemand mehr gestochen.

Weiterer Höhepunkt war das Honigschleudern, bei dem die beiden ältesten Kinder Tietz halfen. Sie probierten auch "Imkerkaugummi", ein Stück Wabe mit Honig drin. Die elfjährige Julie erzählt, wie sie mit Gabeln die Wachsdeckel auf den Waben durchstochen haben, damit der Honig herausfließen kann. "Wir haben auch Honig genascht, das hat Spaß gemacht", sagt sie. Markus Tietz schaut regelmäßig nach Königin Hannelore und ihren Untertanen. Das Bienenvolk ist auch gegen Vandalismus und Diebstahl versichert.

In der Schwarmsaison kommt Tietz mindestens alle neun Tage vorbei, um zu verhindern, dass die alte Königin mit einem Teil des Bienenvolks davonfliegt, während eine neue Königin heranwächst. Später im Jahr steht die Bekämpfung der Varroamilbe an, ein weltweit verbreiteter Bienenparasit. Tietz hat den Bienenstock mit Ameisensäure eingesprüht und später die "Windel" ausgeleert, ein Schubfach, in dem sich abgefallene Milben sammeln. Danach wird der "Verdunster" mit der Ameisensäure durch den "Fütterer" ersetzt, ein Behältnis mit Zuckerwasser, aus dem die Bienen trinken können. Bis September ist Tietz zum Einfüttern gekommen. Als der Bienenkasten 15 Kilogramm schwer war, wusste er, dass die Bienen jetzt genug Futter haben, damit ein Großteil über den Winter kommt.

Wenn Markus Tietz am Bienenstock hantiert, stehen die Kinder interessiert um ihn herum. Zuvor fürchtete sich die älteste Tochter Julie vor Stichen, doch die Angst verflog schnell, als die Bienen einzogen. Sie und ihre Geschwister wissen jetzt, dass Wespen nerven, Bienen dagegen nicht, wenn man sie in Ruhe lässt. "Bienen mögen Honig", sagt der vierjährige Paul, als er mitbekommt, dass sich die Erwachsenen über Bienen unterhalten. "Und keine Limo", ergänzt seine sechsjährige Schwester Bernadette. Vater Thomas Klindt hat inzwischen mehrere Bienenbücher gelesen. Fasziniert spricht er über die Schwarmintelligenz von Völkern und das Imkern. Die praktische Arbeit überlässt er aber lieber dem Fachmann Tietz. "Wir haben den Spaß, aber keine Arbeit", sagt Klindt.

Vier Hühner zum Geburtstag

Der siebenjährige Simon liebt alle Tiere, doch für Hühner hat er ein besonderes Faible. Beim letzten Urlaub auf dem Bauernhof verbrachte er viele Stunden im Hühnerstall und sagt seitdem immer wieder: "Mama, ich wünsche mir Hühner." Simon lebt mit seinen Eltern und zwei älteren Schwestern in einem Haus mit Garten in Feldmoching. Sie haben eine Katze und Fische im Aquarium. Im Garten ist Platz für einen Hühnerstall, doch die Eltern fanden, Simon sei zu jung, um Hühnerbesitzer zu werden.

Als Mutter Katrin Hölzl eine Fernsehsendung über eine Hühnervermietung sah, wusste sie gleich: Das ist es. Zu Simons Geburtstag im Juli bastelte die Mutter eine Karte aus Tonpapier und schrieb "Simons Farm" darauf. "Yippie", freute sich der Bub und war gar nicht enttäuscht, dass er keine großen Geschenkpakete kam. Stattdessen erzählte er jedem stolz, dass er bald Hühner bekommt. Allerdings musste er sich eine Weile gedulden. Weil es in München noch keinen Anbieter gibt, orderte die Mutter vier Hühner bei "Monis Miet-Gaggala" in Erlangen. Die lieferte die Hühnervermieterin Monika Köllner an diesem Montag, zusammen mit einem Hühnerhaus aus Holz, einem Zaun und ausreichend Futter. Die Hühner bleiben zwei Wochen bei Familie Hölzl und weitere zwei Wochen bei einer Familie in Nymphenburg.

Wie es wird, wenn Simon die Hühner wieder hergeben muss? Mutter Katrin Hölzl hält beides für möglich: dass die Lust, Hühnerbesitzer zu sein, erst einmal verflogen sein wird. Oder dass Simon seine Hühner behalten möchte. "Im Grundes ihres Herzens" könne sie sich schon vorstellen, dauerhaft eigene Hühner zu halten. Doch vorher möchte sie erst einmal ausprobieren, wie sich Hühner mit Haus, Kindern und Beruf vereinbaren

Ein Hund mit Rückgaberecht

Als es mit ihrem letzten Hund zu Ende ging, fragte sich Edeltraud Bewilogua, ob sie mit ihren 83 Jahren für einen neuen Hund nicht schon zu alt sei. Wer sollte ihn übernehmen, wenn sie nicht mehr könnte? Ihre Kinder winkten ab. Die Tierärztin empfahl ihr Bluebello, Deutschlands einziger Hundevermittlung ausschließlich für Senioren. "Das ist das Beste, was mir passiert ist", sagt Bewilogua, die im oberbayerischen Bad Feilnbach lebt. Seit zwei Jahren ist sie glücklich mit Gucci, einer Shi-Tzu-Dame.

Eigentümerin der sechs Jahre alten Hündin bleibt Katrin Rösemeier, die den Leihhundservice für Senioren vor vier Jahren in Niedersachsen gegründet hat. Sie spricht lieber vom "Partnerhund auf Zeit". Um den zu bekommen, muss man einige Voraussetzungen mitbringen: Senior sein, aber fit genug, um den Hund jeden Tag zu füttern und mit ihm spazieren zu gehen. Rösemeier besucht alle potenziellen Kunden zu Hause und sucht nur nach einem passenden Hund, wenn sie das Gefühl hat, dass der dort gut aufgehoben wäre. Sie erhält auch Anfragen von jüngeren Menschen. "Meine Hunde sind nicht zum Ausprobieren", sagt sie dann. Jüngere Menschen sollten sich die Hundehaltung gut überlegen und die Verantwortung dann selbst tragen.

Ihre Kunden sind ausschließlich Senioren, die im Tierheim meist wegen ihres Alters keinen Hund mehr bekommen. Und die sich Gedanken darüber machen, was wird, sollte ihnen etwas zustoßen. Rösemeier ist Tag und Nacht für ihre Kunden erreichbar, im Notfall holt sie einen Hund innerhalb von 24 Stunden ab. Dieser Service hat seinen Preis: 150 Euro plus Mehrwertsteuer im Monat kosten Rösemeiers Partnerhunde. Futter, Urlaubsbetreuung, eine OP-Versicherung und eine spezielle Haftpflichtversicherung sind inklusive. Und die Garantie, dass der Hund nicht ins Tierheim muss, wenn Frauchen oder Herrchen nicht mehr kann.

Watschelndes Schneckenmittel

Just in dem Jahr, in dem besonders viele indische Laufenten geschlüpft waren und über ihren Bauernhof in Untereichhofen im Landkreis Ebersberg watschelten, hörte die Landwirtin Andrea Halbwirth im Radio von einem österreichischen Bauer, der Laufenten verleiht. "Das machen wir auch", beschloss sie und gab eine Anzeige im Werbeblatt auf: "Haben Sie ein Schneckenproblem? Wir haben die Lösung! Verleih indischer Laufenten." Das war im Jahr 2009. Bald klingelte das Telefon, neben einigen Journalisten meldeten sich Leute aus den Nachbardörfern und liehen sich ein oder zwei oder manchmal auch drei Entenpaare aus.

Seitdem ist die Nachfrage ungebrochen, schon im Frühjahr rufen die Leute an, um sich die watschelnden Schneckenliebhaber reservieren zu lassen. Inzwischen buchen auch immer mehr Familien mit Kindern "Ferienenten". Viele von Halbwirths Kunden wollen die Laufenten gar nicht mehr hergeben, auch wenn sie fürs Erste alle Schnecken gefressen haben. Die größte Herausforderung im Umgang mit indischen Laufenten ist wahrscheinlich, sie abends in ihr Häuschen zu bekommen. Zumindest fürchten das Halbwirths Kunden am Meisten, wenn sie ihr Paar Laufenten auf dem Bauernhof abholen.

Halbwirth und ihre Mutter Karolina Demmel, die die Laufenten vor 30 Jahren zum ersten Mal angeschafft hatte, um endlich mal ihren Salat selber essen zu können, erklären den Kunden, wie sie es machen: Sie rufen "Betti gehen" und dann schnattern die Tiere schon aufgeregt. Es höre sich an wie "Muss das jetzt schon sein", erzählt Halbwirth. Doch dann ließen sie sich ins Haus bringen, nur bei Vollmond und Regen würden sie gern draußen bleiben. Die Kunden schicken am ersten Abend oft stolz Bilder von den Enten im Häuschen. Manche Tierschützer kritisieren Halbwirths Entenverleih, doch sie sagt, sie lese gar nicht erst, was ihre Gegner auf Facebook posten. "Wir lieben unsere Tiere. Sie wachsen bei uns in der Küche auf und wir nehmen sie sogar mit ins Bett, wenn sie krank sind", sagt Halbwirth.

15 Euro Kaution pro Tier und 15 Euro Leihgebühr pro Entenpaar und Woche verlangt Halbwirth. Dazu gibt es Weizen aus eigenem Anbau, bei Bedarf Wasserschüsseln für die Enten und Tipps zum richtigen Umgang: Die Tiere eher in Ruhe lassen und Abstand halten. Die meisten Kunden wollen es den Enten besonders schön machen und stellen extra ein Planschbecken auf, wenn sie keinen Teich haben. Dabei brauchen die Enten nicht unbedingt eine Badestelle - sonst planschen sie manchmal lieber faul im Wasser anstatt Schnecken zu fressen. Diese sammeln sie im Hals und schlucken sie mit einem kräftigen Schluck Wasser hinunter, ohne Wasser würden sie ersticken. Zurück kommen die Laufenten dann oft mit einem dicken Bauch voller Schnecken. Nach ein paar Tagen hätten sie aber wieder ihr Normalgewicht zurück, versichert Halbwirth.

Hilfe für einsame Kaninchen

Kaninchen sind soziale Tiere, ohne Artgenossen vegetieren sie nur vor sich hin. Doch was tun, wenn eines von zwei Kaninchen stirbt, und man eigentlich mit der Kaninchenhaltung aufhören möchte? Damit das übrig gebliebene Tier auf seine alten Tage nicht alleine ist oder im Tierheim landet, gibt es Leihkaninchen. Anstatt das meist schon ältere Tier, das gerade seinen Partner verloren hat, aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen, nimmt man ein jüngeres, agiles Tier hinzu. Ursprünglich stammt die Idee aus der Schweiz, wo die strengen Tierschutzgesetze verbieten, soziale Tiere alleine zu halten.

Elisabeth Lübcke betreibt in Landsberg eine Notstation für Kaninchen, ehrenamtlich unterstützt wird sie von Viola Schillinger. Gemeinsam bieten sie den Leihkaninchen-Service für den Raum München, Augsburg und Landsberg seit drei Jahren an. Es geht darum, "dem Tier im Alter einen Partner zu gönnen", sagt Schillinger. Etwa 15 Tiere betreuen sie gerade, ein paar sind dabei, deren Besitzer gerade im Urlaub sind. Dass es einen Bedarf an Leihkaninchen gibt, zeigte sich in Beratungsgesprächen. Inzwischen ruft fast jeden Tag jemand an, dessen Kaninchen nicht alleine sein soll, der aber langfristig mit der Haltung aufhören möchte. Mehrfach in der Woche vermittelt Lübcke Kaninchen.

Der neue Besitzer zahlt eine Schutzgebühr und unterschreibt einen Vertrag, in dem explizit steht, dass er das Kaninchen zurückgeben darf. Verliehen wird jedes Tier nur einmal, wenn es zurückkommt, wird es an einen Platz vermittelt, an dem es für immer bleiben kann. Weil der Begriff Leihkaninchen in die Irre führen kann, stellt Schillinger klar, dass sie auf keinen Fall für zwei Wochen ein Kaninchen verleihen würde. "Ich leihe mir ja auch kein Kind, um mal zu sehen, wie es ist, Mutter zu sein", sagt sie. Anstatt Ausprobieren empfiehlt sie die Lektüre von Ratgebern, ein Ehrenamt im Tierheim oder den Besuch in ihrer Notstation. Dort tummeln sich die Kaninchen in einem großen Gehege mit angebautem Auslauf. Da sehen die Leute gleich, dass ein Käfig im Kinderzimmer keine gute Idee ist.

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