Süddeutsche Zeitung

Verkehrswende:Raus aus dem Dauerstau

Die Parteien im Stadtrat sind sich einig, dass der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden muss. Doch die Umsetzung dauert oft lange

Von Andreas Schubert

Die jüngst veröffentlichten Zahlen des Verkehrsdatenanbieters Tomtom stimmen nicht gerade optimistisch: 131 Stunden pro Jahr stehen die Münchner immer noch mit dem Auto im Stau. Auch wenn die meiste Zeit stehend auf Autobahnen verplempert wird, so lässt sich aus dem Ergebnis doch herauslesen, dass das Auto wie eh und je das beliebteste Fortbewegungsmittel ist. Und das, obwohl sich die Stadt und auch der Freistaat bemühen, den öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Von der im Dezember umgesetzten Tarifreform im MVV erhofft sich die Politik mehr Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr. Dieses Jahr kommt das 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende. Aber die Reform und günstigere Tickets werden für eine Verkehrswende nicht reichen.

Der ÖPNV gehört dringend ausgebaut, da sind sich alle Parteien im Stadtrat einig. Kaum eine Vollversammlung kommt ohne ein Verkehrsthema aus. Und in der nun bald vergangenen Wahlperiode hat der Stadtrat tatsächlich ein paar Projekte auf den Weg gebracht, die teils schon jahrelang in den Schubladen lagen, aber nicht weiter verfolgt wurden - was sich bei der aktuellen Einwohnerzahl von 1,5 Millionen und einer weiter wachsenden Bevölkerung schon jetzt rächt.

Denn das Problem ist, dass es sehr lange dauert, bis neue U-Bahn-Linien gebaut werden. So ist die Verlängerung der U5 bis Pasing wohl nicht vor 2027 abgeschlossen, eine weitere Verlängerung bis ins Neubaugebiet Freiham wird sich wohl bis Mitte der 2030er-Jahre hinziehen. Die CSU hat deshalb beantragt, die Planungen zu forcieren und auch eine mögliche Verlängerung über Freiham hinaus nach Germering anzugehen. In der anderen Richtung solle die U5 von Neuperlach Süd bis Ottobrunn und Taufkirchen fahren, das wünscht sich auch der Landkreis München. Die Verlängerung der U4 vom Arabellapark nach Englschalking ist bereits im Nahverkehrsplan enthalten; darüber hinaus könnte die U4 bis zur Messestadt West verlängert werden. Und die Verbindungsspange U26 im Norden zwischen Kieferngarten und am Hart kommt nicht vor der Fertigstellung der geplanten U9 - und die rollt wohl nicht vor Ende der 2030er-Jahre durch den Untergrund. Bei der Tram geht es etwas zügiger voran. So hat der Stadtrat 2018 die seit den Neunzigerjahren diskutierte Tram-Westtangente beschlossen, dieses Jahr will die Münchner Verkehrsgesellschaft den Antrag auf Baugenehmigung einreichen, 2026 soll die Tram dann fahren. Ein Jahr früher soll sogar die Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten fertig sein, wenn alles nach Plan läuft. Bis dahin wird sich die Stadt mit Bussen behelfen müssen. 14 Maßnahmen zur Beschleunigung von Bussen, vor allem durch Busspuren, hat der Stadtrat im Oktober beschlossen, weitere werden folgen. Darüber hinaus investiert die MVG derzeit und in den kommenden Jahren einiges in die Sanierung ihrer Infrastruktur und die Aufstockung ihrer Fahrzeugflotten.

Bei der Bahn soll schon in fünf Jahren der heute noch dem Güterverkehr vorbehaltene Nordring für den Personenverkehr freigegeben werden und so das neue Forschungs- und Innovationszentrum von BMW anschließen. Inzwischen ist man sich parteiübergreifend auch einig, dass über kurz oder lang der Südring ausgebaut werden muss. Der wurde bekanntlich zunächst verworfen, weil der zweite Stammstreckentunnel als wirtschaftlicher erachtet wurde. Der S-Bahn-Ausbau zwischen Daglfing und Johanneskirchen wird frühestens Ende der 2030er-Jahre möglich sein, weitere Ausbauten, etwa der schon geplante dreigleisige Ausbau der S4 bis Buchenau stehen heute schon wieder auf dem Prüfstand. Eine Machbarkeitsstudie soll nun eine viergleisige Erweiterung prüfen.

Ob auch Seilbahnen in der Stadt einen vernünftigen Beitrag zur Verkehrswende leisten können, wird sich dieses Jahr ebenfalls zeigen, wenn die Machbarkeitsstudie zu den Gondeln am Frankfurter Ring vorliegt.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2020
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