Verkehrspolizei in München:Abzocke oder Sicherheit

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Hier kontrollieren Beamte die Leopoldstraße. (Foto: Stephan Rumpf)

Blitzwochen und Radkampagnen: Die Münchner Polizei veranstaltet zahlreiche Kontroll- und Aktionstage, um Verkehrssünder zum Umdenken zu bewegen. Die Betroffen nennen das Abzocke, die Ordnungshüter verweisen auf den Erfolg.

Von Florian Fuchs

An diesem Montag ist die Verkehrspolizei wieder präsent in der Innenstadt: An der Ecke Sonnenstraße und Herzogspitalstraße werden Beamte stehen und den Abbiegeverkehr kontrollieren. "Beim Abbiegen passieren viele Unfälle, immer wieder auch mit Schwerverletzten", sagt Andreas Schaumaier.

Der Chef der Münchner Verkehrspolizei nennt mehrere Beispiele: unter anderem einen Unfall, bei dem kürzlich ein Radfahrer unter einen Lastwagen geriet. "Mit so einer Aktion wie an der Sonnenstraße wollen wir auf Gefahren im Verkehr aufmerksam machen", sagt Schaumaier. "Und möglichst darauf hinwirken, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert."

Die Münchner Polizei veranstaltet inzwischen zahlreiche Kontroll- und Aktionstage. Es gibt Blitzwochen und Radkampagnen, verstärkte Kontrollen bei Motorradfahrern und Aktionen, bei denen Schulkinder ertappten Sündern saure Drops überreichen - und ihnen dann unangenehme Fragen stellen, warum sie vor der Schule zu schnell gefahren sind. Gerade wer ein Bußgeld kassiert, ist nicht unbedingt erbaut über die Kontrollen und beschwert sich schnell über Abzocke.

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Der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer wollte deshalb sogar im Namen aller Autofahrer wissen, nach welchen Kriterien Radarsysteme aufgestellt werden. Die Münchner Polizei ist solche Emotionen gewohnt - und bekommt Rückendeckung für ihre Aktionen vom Automobilclub ADAC und dem Fahrradclub ADFC. Es gibt gute Argumente, warum es eben nicht um Abzocke, sondern um Sicherheit auf der Straße geht.

"Wir haben immer mehr Einwohner, Touristen, Pendler und Zulassungen, aber nicht mehr Platz auf den Straßen", sagt Vizepolizeipräsident Robert Kopp. "Die Rahmenbedingungen werden schwieriger." Kontrollaktionen und Kampagnen, da sind sich Kopp und Schaumaier einig, seien also nötig. So erreiche man Kraftfahrer, Fahrradfahrer und Fußgänger gleichermaßen. "Unsere Aktionen", sagt Schaumaier, "sind immer Ergebnis einer Analyse und zielgerichtet auf Probleme ausgerichtet, die sich im Straßenverkehr auftun."

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Den Vorwurf mit der Abzocke kennen sie bei der Polizei, seit es Radarfallen gibt. Dabei sind für Kontrollaktionen klare Kriterien festgelegt. Bei der Verkehrspolizei erfassen die Beamten ständig, wo, wie und zu welchem Zeitpunkt Unfälle in München und dem Landkreis geschehen. Wo die Blitzer aufgestellt werden, richtet sich nach dieser Analyse.

Das Kriterium der "Unfallsituation" an einer Stelle ist am wichtigsten und wird vierfach gewertet, wenn es in die Lagebetrachtung einfließt. Ein anderer Faktor - zweifach gewichtet - ist die "Belästigungssituation", also der Lärm von Autos, die zu schnell unterwegs sind. "Wir bekommen viel häufiger Aufforderungen zu blitzen als Beschwerden, dass geblitzt wird", sagt Schaumaier.

Kopp und sein Verkehrschef haben noch weitere Argumente. Bei der jüngsten Blitzaktion, die über mehrere Tage ging, gab die Polizei über die Medien zuvor alle Straßen bekannt, an denen gemessen wurde. "Wenn wir nur Bußgelder eintreiben wollten, würden wir das kaum tun", sagt Kopp. Es sei zudem Vorgabe des Präsidiums, bei möglichst vielen Kontrollen die Autofahrer anzuhalten und mit ihnen zu sprechen. "Das wirkt nachhaltiger, kostet aber mehr Zeit. Würden wir nur die Rechnungen schicken, würden wir mehr Fahrer blitzen und Geld eintreiben können."

Auch Aktionen wie mit den Schulkindern, die bei Messungen vor Schulen dabei sind, zeigten, dass es der Polizei darum gehe, die Verkehrssünder zum Umdenken zu bewegen. "Wieso sollten wir uns sonst solche Aktionen ausdenken, wenn wir auch einfach so blitzen könnten", sagt Kopp. Der Erfolg gibt dem Präsidium recht: Nachdem die Zahl der Unfälle durch zu hohe Geschwindigkeit im Jahr 2012 von 508 auf 714 gestiegen war, konnte der Trend im vergangenen Jahr mit 632 Unfällen gestoppt werden. Auch in diesem Jahr werden die Zahlen wohl zurückgehen. Es sind auch solche Statistiken, die auch die Interessensverbände überzeugen.

ADFC unterstützt die Polizei

Ein ADAC-Sprecher sagt, dass man die Kontroll- und Präventivaktionen der Polizei grundsätzlich unterstütze. "Wenn sich Autofahrer über so etwas beschweren, müssen sie sich vielleicht auch mal an die eigene Nase fassen." Den Einwand, dass man sich aber manchmal auch beim ADAC wundere, wenn Blitzer an Stellen stehen, wo keine Schulen oder Altenheime in der Nähe seien, kontert das Präsidium mit dem Verweis auf seine klar definierten Analysekriterien.

Der Fahrradclub ADFC unterstützt die Polizei sogar bei Aktionen vor Ort, wie am heutigen Montag an der Sonnenstraße. Eine Beschwerde von Radfahrern will der Verband dennoch weitergeben: Auf Höhe der Schackstraße neben dem Siegestor warten ab und an Polizisten hinter einer Litfaßsäule, um Radfahrer anzuhalten. "So etwas", ärgert sich Kopp, "wollen wir eigentlich gar nicht. Da kann ich Kritik verstehen."

So etwas sei nicht Teil gezielter Aktionen, sondern eine Maßnahme einzelner Streifen, die im regulären Dienst auf solche Ideen kommen. Man habe die Dienststellen angewiesen, solche Versteckspiele zu unterbinden, sagt Kopp. "Wem Ähnliches passiert, der soll sich ruhig ans Präsidium wenden. Wir nehmen Beschwerden ernst und tun sie nicht einfach ab."

© SZ vom 08.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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