Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:Park and Streit

In der Fraunhoferstraße suchen Anwohner, Händler und Politiker nach neuen Lösungen für ein Miteinander von Fahrrad- und Autoverkehr

Von Andreas Schubert

Inzwischen sind Marion und Martin Kilian so etwas wie Stammgäste im Bezirksausschuss. Seit Monaten kämpfen sie dafür, dass sich die Situation vor ihrer Haustür ändert. Wieder ändert, um genau zu sein. Seit August gibt es in der Fraunhoferstraße, wo die Inhaber des alteingesessenen Schlüsseldienstes Kilian ihren Laden betreiben, keinen einzigen Parkplatz mehr. Und auch keine einzige Möglichkeit für Lieferanten, irgendwo legal anzuhalten.

Seit die Stadt auf den beiden Seiten der Fraunhoferstraße jeweils 2,30 Meter breite Fahrradstreifen rot markiert und dafür 120 Parkplätze geopfert hat, bleibt Kunden und Lieferanten nichts anderes übrig, als sich irgendwo in der Gegend einen anderen Parkplatz zu suchen, weit entfernt vom Laden der Kilians, alternativ können sie sich illegal auf den Rad- oder Fußweg stellen und eine Geldstrafe riskieren - oder sie kommen gar nicht mehr. "Einen Tresor", sagt Marion Kilian, "können sie nun mal nicht mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen transportieren."

Tatsächlich bietet sich auch an diesem Freitag das seit August gewohnte Bild. Lieferwagen stehen halb auf dem Trottoir, halb auf dem Radweg. Marion Kilian erzählt, dass einige ihrer Lieferanten und Kunden deshalb bereits Strafzettel bekommen hätten. Freilich war die einst notorisch zugeparkte Fraunhoferstraße nie dafür bekannt, dass man dort bequem einen legalen Stellplatz finden konnte. Die Lieferanten hätten eben schnell mal in den Einfahrten geparkt. Das sei aber nicht so oft vorgekommen und habe zu keinen Problemen geführt, sagt Marion Kilian.

Eigentlich ist in der Müllerstraße, direkt gegenüber vom Schlüsseldienst, eine Lieferzone. Auf der ist Platz für bis zu drei Wagen. Aber dieser Parkplatz ist meistens zugeparkt - wie auch jetzt. Der Bund der Selbständigen hat zusammen mit Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU) und den Kilians zum Termin geladen, und alle machen dem Ärger noch einmal Luft. Vergangene Woche haben die Kilians einen Plan vorgestellt, den sie von einem Architekturbüro haben erarbeiten lassen. Der Plan sieht einzelne Stellplätze für Lieferanten in der Fraunhoferstraße vor. Dazu müssten aber einerseits die Gehwege verbreitert und die Radstreifen andererseits wieder verschmälert werden. Am Straßenrand sollen überdies diverse Bäume stehen.

Aktuell sieht die Straße recht aufgeräumt und die Fahrbahn sehr breit aus. Das führt zu einem weiteren Problem. Als noch Parkplätze in der Fraunhoferstraße waren, waren die Autofahrer deutlich vorsichtiger. Jetzt, so erzählen es nicht nur die Kilians, ist die Straße so übersichtlich, dass die Autofahrer beruhigt Gas geben. Und obwohl die Fraunhoferstraße auch an der Klenzeschule vorbeiführt, hat die Stadt dort nicht - wie an vielen anderen Stellen - ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde eingeführt.

Die Trambahnen, die sich auch an das Tempolimit halten müssten, kämen dann nicht mehr schnell genug voran, sagt die Münchner Verkehrsgesellschaft. Für Bürgermeister Pretzl, der sich im Stadtrat zwar vehement, aber letztlich vergeblich gegen die Streichung der Stellplätze eingesetzt hat, zählt dieses Argument nicht. Die Tram verliere höchstens ein paar Sekunden, schätzt er.

Die Regelung ist vorerst ohnehin nur ein Versuch. Die CSU hat die Hoffnung, dass es nicht dabei bleiben wird. Sie hat beantragt, die Fraunhoferstraße noch einmal umzuplanen und gleichzeitig Tempo 30 einzuführen. Sie greift die Idee der Kilians auf, allerdings mit einer kleinen Variation: Dabei sollen die Fahrbahnen schmäler und die Gehwege breiter werden. Die Radwege sollen allerdings in ihrer Breite erhalten bleiben. Auf den breiteren Gehwegen bliebe noch genug Platz für Autos. Die Stadtverwaltung will das prüfen.

Pretzl und der Bund der Selbständigen sehen durch das komplette Halteverbot eine Gefahr für inhabergeführte Läden und Handwerksbetriebe in der Isarvorstadt. Sie vermissen ein schlüssiges Konzept - eines, das nicht zu Lasten der Anwohner und Firmen gehe. Und Marion Kilian meint: "München will Fahrradweltstadt werden, früher war es die Weltstadt mit Herz für alle."

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Quelle:
SZ vom 19.10.2019
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