Verkehrspolitik in München:Mit Tempo 30 durch die Stadt

Schild in einer Tempo--30-Zone.

Tempo 30 ist längst Realität - auf mehr als 80 Prozent der Münchner Straßen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Weniger Lärm, mehr Sicherheit, weniger Schadstoffe: Ein Bündnis aus Verkehrsverbänden will die Regelgeschwindigkeit auf Münchens Straßen auf 30 km/h senken. Bisher hat die Mehrheit im Rathaus entsprechende Vorschläge abgelehnt - lange wehren kann sie sich aber vermutlich nicht mehr.

Von Marco Völklein

Weniger Lärm, mehr Sicherheit, weniger Schadstoffe - mit diesen Argumenten werben zahlreiche Umwelt- und Verkehrsverbände für eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 in europäischen Innenstädten. Im vergangenen Jahr starteten sie im Internet eine europaweite Unterschriftensammlung. Ziel ist es, bis Mitte November 2013 mindestens eine Million Unterschriften aus sieben oder mehr Mitgliedsländern der EU zu sammeln. "Gelingt das, ist die EU-Kommission verpflichtet, das Thema aufzugreifen, eine Lösung vorzuschlagen und gegebenenfalls gesetzgeberisch tätig zu werden", sagt Julia Fröbel vom Münchner Umweltschutzverein Green City. Die Münchner beteiligen sich bisher äußerst rege an der Aktion.

Ende vergangener Woche hatten die Tempo-30-Aktivisten europaweit knapp 24.000 Unterschriften zusammen. Fast 9000 davon kamen aus Deutschland, und hier wiederum kam etwa jede vierte Unterstützerunterschrift aus der bayerischen Landeshauptstadt. "In München besteht ein großes Interesse an dem Thema", sagt Green-City-Aktivistin Fröbel. Und das, obwohl die Umwelt- und Fahrgastverbände bislang eher wenig für die Aktion geworben haben.

Unterstützer wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Bund Naturschutz oder der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) haben allenfalls auf ihren Internetseiten sowie in ihren Verbandsmaterialien um Unterschriften gebeten. In den kommenden Monaten allerdings wollen die Verbände europaweit an Tempo zulegen, um bis in den Herbst die Marke von einer Million Unterschriften zu meistern. Gesammelt wird mit klassischen Unterschriftenlisten; zudem können sich Unterstützer im Internet unter www.30kmh.eu an der Aktion beteiligen.

An der Isar haben sich die Verbände zum "Münchner Bündnis für Tempo 30" zusammengeschlossen - und als solches wollen sie in den nächsten Wochen und Monaten verstärkt für ihr Anliegen werben. Unter anderem wollen sie bei Tollwood und dem Street-Life-Festival Unterschriften sammeln, auch ein gemeinsames Infoblatt ist geplant. Spätestens im OB-Wahlkampf, hoffen die Initiatoren, lasse sich das Thema in die Öffentlichkeit tragen.

Auf mehr als 80 Prozent der Münchner Straßen gilt bereits Tempo 30

In der Vergangenheit allerdings hatten Forderungen nach flächendeckendem Tempo 30 im Stadtrat für Aufsehen und hitzige Diskussionen gesorgt, waren dann aber grandios gescheitert. So hatte Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle (parteilos) als erster einen Vorstoß gewagt und vorgeschlagen, sämtliche Straßen in München grundsätzlich mit Tempo 30 zu belegen - und dann für große und wichtige Trassen wie zum Beispiel den Mittleren Ring oder zahlreiche Einfallstraßen Ausnahmen von dieser Regel zu definieren.

Immerhin, so sein Argument, gilt ja auf mehr als 80 Prozent der Münchner Straßen bereits Tempo 30. Blume-Beyerle wollte quasi die Sache nur umdrehen und seinen Verwaltungsbeamten das Leben ein kleines bisschen einfacher machen. Ähnlich sieht es auch die europaweite Initiative der Umwelt- und Verkehrsverbände: Sie fordert Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, von der die Kommunen dann Ausnahmen machen können - "dort, wo sie es für sinnvoll halten", sagt Fröbel. "Wichtig ist, dass die kommunalen Regierungen dabei das letzte Wort haben."

Im Münchner Stadtrat allerdings scheiterte KVR-Chef Blume-Beyerle mit seinen Plänen an einer breiten Ablehnungskoalition aus SPD, CSU, FDP und Freien Wählern. Ebenso erging es Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne), der kurze Zeit später einen Schritt weitergehen wollte als Blume-Beyerle - und auf stadtweit insgesamt zehn größeren, wichtigeren Straßen das Tempo von derzeit 50 auf 30 Stundenkilometer drosseln wollte, um die Anwohner an diesen Trassen vor Lärm zu schützen.

Unter anderem wollte Lorenz an einzelnen Abschnitten der Rosenheimer Straße, der Theresienstraße und der Lindwurmstraße die Autofahrer zum Abbremsen zwingen. Das allerdings zunächst nur in den Nachtstunden und auch nur auf ein paar Monate begrenzt. Wissenschaftler sollten den Versuch begleiten und auswerten, ob die Temporeduktion eine Lärmentlastung für die Anwohner bringt.

Aber auch dieser Vorstoß scheiterte an der breiten Mehrheit im Stadtrat. Lorenz allerdings glaubt, dass die Stadt über kurz oder lang an Tempo 30 auch auf großen Straßen nicht vorbeikommen wird - allein, um die Lärm- und Schadstoffwerte zu drücken. Denn das verlangt die EU von den Kommunen.

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