Verkehr in München:Rangelei auf den Trottoirs

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Die Suche nach einer Parklücke endet in der Niedermayerstraße meist mit dem Halten auf dem Gehweg oder vor Ausfahrten. (Foto: privat)

Gehwegparken hat sich in vielen Stadtbezirken zum Politikum entwickelt. Anwohner regen individuelle Lösungen an, um den knappen Straßenraum einigermaßen gerecht aufzuteilen.

Von Nicole Graner, Berthold Neff und Sonja Niesmann, München

Einmal die Woche kommt mitten in Bogenhausen in den frühen Abendstunden der Eiermann in die Amberger- oder Niedermayerstraße. Schon seit Jahren hält er dann mit seinem roten Lieferwagen an einem bestimmten Platz, meist auf dem Gehweg. Bimmeln oder hupen muss er nicht mehr. Die Anwohner wissen einfach, dass er da ist. Gerade für die vielen älteren Menschen, die in dem Viertel wohnen, ist er zu einem beliebten Treffpunkt geworden. Doch einen Stellplatz zu finden, ist schwer geworden. Oft parkt er jetzt in einer Feuerwehranfahrtszone. Denn im Dezember hat die Stadt im Viertel östlich des Herkomerplatzes neue Halteverbotsschilder aufgestellt. In der Amberger Straße ist das Parken nur noch einseitig möglich, in der Niedermayerstraße nur im Wechsel auf beiden Straßenseiten - so auch in der Gebelestraße. 279 Anwohner haben bis jetzt eine Petition unterschrieben und fordern die Stadt auf, die Situation wieder rückgängig zu machen.

Den Anwohnern ist bewusst, dass das Parken auf Gehwegen nicht erlaubt ist und in den Straßen damit früher illegal geparkt worden sei, wie Anwohner-Sprecher Patrik Bothe erklärt, der das Anliegen der Unterzeichner der Petition schon an den Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen herangetragen hat. Aber nun fielen plötzlich die Hälfte der Parkplätze weg und die Situation sei "unhaltbar". Weil sich die Gemüter nicht beruhigen wollen, der Parkdruck im Viertel aber immer größer wird, hat der BA, der den neuen Halteverbotsschildern zugestimmt hatte, nun zu einer Bürgersprechstunde via Webex eingeladen. Um mit den Anwohnern ins Gesprächs zu kommen wie BA-Vorsitzender Florian Ring (CSU) und Unterausschuss-Vorsitzender Mobilität und Verkehr, Florian Braun (Grüne), unisono sagen. Und um einmal alle Argumente auf den Tisch zu legen - dafür und dagegen. "Heute", sagt Ring den Bürgern, "ist ihre Stunde!"

Rund um das Viertel östlich des Herkomerplatzes, aber auch in der Krüner Straße in Sendling-Westpark wird es manchmal für die Fußgänger eng - doch hier wird das Parken mit zwei Rädern auf dem Gehweg weiter toleriert. (Foto: Stephan Rumpf)

Und sie wurden auf den Tisch gelegt. In ruhiger Form und einem von Florian Braun gut geführten Diskurs. Positive Gründe für die neue Halteverbotsregelung, seien, so äußern sich Anwohner, die breitere Gehwegfläche in der Amberger und Niedermayerstraße, die mehr Platz für Fußgänger, Kinderwagen und Rollstühle ermögliche. "Gehsteige gehörten den Fußgängern", ist zu hören. Gerade weil diese oft zugeparkt worden seien. Auch wäre die Räumung der Gehwege im Winter leichter, sagt ein Hausmeister des Viertels. Er betont auch, dass früher sogar Feuerwehrzufahrten zugeparkt worden seien. Außerdem gebe es genügend Tiefgaragenplätze, auch jetzt könnten noch welche gemietet werden, sagt eine andere.

Die Gegner der neuen Regelung monieren, dass die Straßen viel unsicherer geworden seien. Die Autos "preschten" jetzt durch die Straßen, weil sie mehr Platz hätten. Das gefährde Kinder und ältere Menschen. Gerade die könnten ihre Einkäufe nicht mehr richtig ausladen und müssten lange Wege in Kauf nehmen. Auch für Sozial- und Lieferdienstedienste sowie Handwerksfirmen sei ein Halten nicht mehr möglich. Auch sei der Gehweg der Gebelestraße breit genug, die Halteverbotsschilder dort aufzustellen "vollkommen unverständlich". Einen Tiefgaragenplatz könne sich nicht jeder leisten, auch seien die freien Duplex-Plätze viel zu eng. Das Rumänische Konsulat sei außerdem vor allem tagsüber eine Belastung. Die vielen Besucher suchten ständig Parkplätze. Auch parkten viele Fremdparker wie von der Hypo-Vereinsbank in den Straßen. Zwölf Kilometer, sagt ein Anwohner, sei er in kurzer Zeit gefahren, um einen Parkplatz im Viertel zu bekommen. Aus umweltfreundlicher Sicht ein "Unding". "All das also, was man verbessern wollte, hat sich nur verschlechtert", fasst Bothe zusammen.

Ideen, wie man Lösungen finden könnte, haben die Kritiker der neuen Regelung auch: Das Stichwort Parkraummanagement fällt mehrmals, ebenso der Wunsch nach klar abmarkierten Parkplätzen, das ein Parken mit zwei Rädern auf dem Gehwegen ermögliche. Besonders geärgert hätten, so erklärt Bothe, die Anwohner zwei Dinge: dass mit den Bürgern seitens der Stadt nicht kommuniziert worden ist. "Die Diskussion, die jetzt geführt werde", sagt Bothe, der es gut findet, dass es jetzt zu Gesprächen gekommen ist, "hätte es von Anfang an geben müssen." Und: Dass es einen Menschen im Viertel gebe, der die Gehwegparker mit Bild festhalte und diese dann an die Polizei weiterleite.

Auch in anderen Stadtbezirken ist das Gehwegparken immer wieder ein Thema. So in Sendling-Westpark. Da stand es in der letzten BA-Sitzung des vergangenen Jahres zur Debatte. Zuvor waren die Anwohner der Krüner Straße per Fragebogen um ihre Meinung gebeten worden. Die war eindeutig: Parken mit zwei Rädern auf den Gehsteigen solle weiter toleriert werden, und den Autofahrern solle man dies durch eine entsprechende weiße Linie auf dem Trottoir auch signalisieren. In der BA-Sitzung fiel die Linie dann allerdings durch, weil CSU und SPD dafür keine Mehrheit fanden. Beschlossen wurde schließlich, dass alles so bleibt, wie es ist. In der Krüner Straße zwischen Reulandstraße und Specklinplatz wird das Parken mit zwei Rädern auf dem Gehweg weiter toleriert. Mit einer Mehrheit von 13 zu elf Stimmen wurde dann zum Schluss auch noch die Forderung gestrichen, dass die Polizei überprüfen möge, ob die gesetzlich vorgeschriebene Gehwegbreite für Passanten eingehalten wird.

Der Neuhauser Bezirksausschuss forderte im Januar einstimmig die Verwaltung auf, das Gehwegparken in fünf Straßen nicht länger zu dulden, nämlich Bandel-, Malsen-, Simeoni-, Taxisstraße zwischen Klug- und Hohenlohestraße sowie Tintorettostraße zwischen Auffahrtsallee und Tizianstraße. Die "massive Behinderung" von Fußgängern belegten dem Antrag beigefügte Fotos: An manchen Stellen blieb nicht mal mehr eine Armbreite Platz zum Durchschlupfen. Ursprünglich hatte der Grünen-Antrag sogar zwölf Straßen aufgelistet, das ging den anderen Fraktionen dann doch zu weit.

© SZ vom 02.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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