Ist die Verkehrswende gescheitert? Glaubt man den Worten jener, die den öffentlichen Nahverkehr organisieren, schaut es um das Ziel einer klimafreundlichen Mobilität eher düster aus.
Am Dienstag hatten der Münchner Verkehrsverbund (MVV), die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), die S-Bahn München und die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) zur alljährlichen „schwimmenden Pressekonferenz“ auf dem Starnberger See geladen. Das soll eigentlich eine nette Bootsfahrt sein mit Gelegenheit zum Plaudern. Doch so richtig in Feierlaune sind die ÖPNV-Vertreter derzeit nicht.
Es geht, wie immer, ums Geld. Da müsste vom Bund viel mehr Sicherheit kommen, lautet die einhellige Forderung. Das betrifft unter anderem die Finanzierung des Deutschlandtickets. Allein im Bereich des MVV würden ohne Ausgleichszahlungen des Bundes in diesem Jahr 300 Millionen Euro fehlen, sagt MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch. Dabei ist das Ticket eigentlich ein Erfolg. Elf Millionen Nutzer gibt es in Deutschland. Im MVV-Gebiet nutzen laut einer bundesweiten Marktforschung 36 Prozent aller Einwohner über 14 Jahre das günstige Angebot, das derzeit noch 49 Euro kostet. Was für die Fahrgäste ein Gewinn ist, bringt den Verkehrsunternehmen aber erhebliche Mindereinnahmen, die ausgeglichen werden müssten. Doch eine Zusage gibt es dafür bislang noch nicht.
„Wir haben das Ticket eingeführt, ohne zu wissen, ob wir es uns überhaupt leisten können“, sagt MVG-Chef Ingo Wortmann. Die MVG finanzierte sich früher durch ihre Fahrgeldeinnahmen, das funktioniert nicht mehr. Jetzt ist die Stadtwerke-Tochter auf finanzielle Unterstützung der Stadt München angewiesen. Die beträgt maximal 130 Millionen Euro, doch auch der Haushalt der Stadt sei völlig ausgereizt, sagt Wortmann. „Wir fahren nur auf Sicht, sind aber in einer dunklen Nebelsuppe unterwegs.“
Für den Münchner Nahverkehr bedeutet das konkret: Die bisher angefangenen Projekte wie die Tram-Westtangente werden weiter gebaut beziehungsweise weiter geplant. Auch die Nordtangente durch den Englischen Garten ist für Wortmann noch immer nicht vom Tisch. Kommende Woche finde ein Gespräch mit der Staatsregierung statt, bei dem die MVG noch einmal Überzeugungsarbeit leisten will.
Ansonsten heißt es sparen: Die Tramlinie 29 soll endgültig gestrichen werden. Ihre Strecke wird aber durch andere bestehende Linien wie die Tram 20 weiterhin bedient. Auch der „Takt zehn bis zehn“, bei dem Verkehrsmittel bis 22 Uhr alle zehn Minuten verkehren, werde bei den Bussen so schnell nicht wieder eingeführt, sagt Wortmann. Auf der anderen Seite müsse man frühere Sparmaßnahmen wie die Straffung von Dienstplänen zurücknehmen, um gegen den Personalmangel vorzugehen. Auch bei der Feinerschließung von Stadtvierteln tut sich was: Hier läuft laut Wortmann gerade eine Ausschreibung für einen On-Demand-Service, eine Art Sammeltaxi-System mit bis zu 50 Fahrzeugen.
S-Bahn-Chef Heiko Büttner, der seit Juni auch Bayerns Bahnchef ist, blickt optimistischer in die Zukunft. Verbesserung versprechen etwa die zweite Stammstrecke, das zweite S-Bahn-Werk im Westen Münchens oder der Erdinger Ringschluss – alles aber erst in einigen Jahren. Derweil behilft sich die S-Bahn mit kleineren Maßnahmen wie den flexiblen Abfahrtszeiten, was zu mehr Pünktlichkeit führen soll.
Das größte Problem für den Bahnverkehr ist laut BEG-Geschäftsführer Thomas Prechtl die fehlerhafte Infrastruktur. Immer mehr sogenannte Langsamfahrstellen auf veralteten Gleisen bremsen die Züge aus, Signal- und Fahrzeugstörungen gehören zum Alltag.
Da wäre der Bund bei der Finanzierung gefragt, doch Prechtl glaubt, „dass der große Geldsegen in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommt“. Doch sich das Geld von den ÖPNV-Nutzern durch höhere Ticketpreise zu holen, ist für ihn auch keine Lösung. „Es kann nicht sein, dass die Fahrgäste für die Infrastruktur aufkommen sollen.“
Und selbst wenn genug Geld für den Infrastruktur-Ausbau vorhanden wäre, schätzt Prechtl, dass eine Beseitigung aller Mängel noch 20 Jahre dauern würde.