Verkehr in München:Wie die Stadt Radfahrer in Gefahr bringt, ist fahrlässig

Verkehr in München: Aufgepasst: In Solln zählt die Siemensallee zu den riskanten Radwegen.

Aufgepasst: In Solln zählt die Siemensallee zu den riskanten Radwegen.

(Foto: Stephan Rumpf)

München nennt sich selbst "Radlhauptstadt". Doch Rathaus und Stadtrat tun noch nicht einmal das Nötigste, um die Sicherheit der Fahrradfahrer in der Innenstadt zu garantieren.

Kommentar von Kassian Stroh

München für Zuzügler, Lektion 1: Stehen Sie auf einer Party herum und brauchen Stoff für unverfänglichen Smalltalk, der allseits Zustimmung bekommt? Dann reden Sie über den Mietwahnsinn oder schimpfen über die S-Bahn. Oder noch besser: Machen Sie sich lustig über das selbst verliehene Prädikat dieser Stadt - "Radl-Hauptstadt". Die Lacher sind Ihnen garantiert.

Denn wer immer diese Stadt zumindest gelegentlich auf zwei Rädern ohne Motor durchquert, kann davon berichten, wie oft da Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Und die älteren Münchner toppen das dann noch, indem sie davon berichten, dass in alten Tagen ein von der Stadt bezahlter Radl-Clown herumhüpfte, aus Marketinggründen. Rasend komisch das alles, aber leider nicht sehr originell.

Denn der Befund ist uralt. Dass das Fahrradfahren gefördert werden muss, das sagen die Politiker dieser Stadt ja seit Jahren. Ja, es ist derart Konsens geworden, dass sich selbst führende CSU-Vertreter als Pedalhelden feiern. Nur: Wann immer es zum Schwur kommt, wann immer zum Beispiel Auto-Parkplätze oder - Gott bewahre - Auto-Fahrspuren dran glauben müssten, weil sie mehr Radverkehr blockieren, dann bleibt es bei den schönen Worten und nichts verändert sich. Seit Jahr und Tag.

Umso peinlicher ist es für die Stadt, dass nun eine Stellungnahme der Polizei auftaucht. Darin beschreibt sie genau das, was Fahrradaktivisten stets beklagen. Dass die Situation entlang von Ludwig- und Leopoldstraße ein Unding ist, dass Russisch Roulette zu spielen eine vergleichsweise beruhigende Freizeitbeschäftigung ist verglichen mit der Herausforderung, zwischen parkenden Autos, Fußgängern, manchmal Rollerfahrern und anderen quer wechselnden Verkehrsteilnehmern lebendig hindurchzukommen.

Denn hier geht es ja nicht um die politische Abwägungsfrage, wie viel Unbill man Autofahrern zumutet, um das umweltfreundlichere Fahrrad zu fördern. Sondern hier geht es schlicht um Sicherheit. Und wenn die Polizei schreibt, dass sie seit Jahren vor der sich verschlimmernden Situation warnt, die Stadt aber untätig bleibt, dann ist das als fahrlässige Gefährdung zu werten.

An dieser Stelle jedoch ein Rat für den Party-Smalltalk: Sprechen Sie dieses Thema lieber nicht an. Die gute Stimmung würde sonst schlagartig kippen - zu traurig ist die Angelegenheit.

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