Immer mehr Menschen fahren Fahrrad, und es gibt zahlreiche Bestrebungen, damit es noch mehr werden. Beim Thema "Fahrradstraßen" ist München vorne dran. Florian Paul, der Radbeauftragte der Stadt, erklärt, was das bringt.
SZ: In München gibt es 62 Fahrradstraßen, so viele wie in keiner anderen deutschen Stadt. Aber nicht alle scheinen verstanden zu haben, worum es dabei geht. Erklären Sie es bitte noch einmal.
Florian Paul: Fahrradstraßen sind Straßen, auf denen Radfahrer Vorrang haben. Es gibt sie in München nur in Tempo-30-Zonen. Die gesamte Fahrbahn wird zum Radweg, Radfahrer dürfen nebeneinander fahren und Autofahrer müssen sich an der Geschwindigkeit der Radler orientieren. Nur eine in München ist allerdings eine reine Fahrradstraße. Auf allen anderen sind auch Autos erlaubt, die sich aber eben nach den Radfahrern richten müssen.
Ist das nicht ein fauler Kompromiss?
Naja, es ist in erster Linie eine sehr günstige und einfache Maßnahme, um den Radverkehr zu fördern - man stellt Schilder auf und malt eine Markierung auf den Boden, das kostet fast nichts, und es muss meistens nichts umgebaut werden. Im Gegensatz zu Fahrradbrücken und Radschnellwegen etwa. Natürlich dauert es eine Zeit, leider, bis es sich bei allen Autofahrern rumgesprochen hat.
Als Radfahrer wird man auf Fahrradstraßen schon öfter von Autos überholt.
Auch ich radle jeden Tag und habe öfter den Eindruck: Manche Autofahrer ignorieren die Regel einfach. Und auch, dass Autofahrer Radfahrer bedrängen, erlebt man immer wieder. Manche merken aber auch einfach nicht, dass sie in einer Fahrradstraße fahren. Wir wollen jetzt größere Schilder aufhängen und die Fahrbahn deutlicher markieren. Und es muss besser kontrolliert und sanktioniert werden.
Also mehr Polizei in Fahrradstraßen?
Ich bin kein Freund von Kontrollen überall, aber natürlich müssen Radfahrer besser geschützt werden, gerade dort, wo sie Vorrang haben. Bayernweit wird ja diskutiert, dass künftig mehr Polizisten auf dem Rad unterwegs sein sollen. Da ist es wünschenswert, dass die nicht nur die Radfahrer kontrollieren, sondern auch die Autofahrer. Irgendwann werden einfach so viele Radfahrer unterwegs sein, dass die Autofahrer ohnehin nicht überholen können.
Abgesehen von den geringen Kosten für neue Fahrradstraßen: Wieso sollten andere Städte dem Münchner Vorbild folgen?
Fahrradstraßen sind politisch kaum umstritten. Genauso wie die Öffnung von Einbahnstraßen in beide Richtungen für Radfahrer. Das ist in München inzwischen bei etwa der Hälfte der Fall, und es tut niemandem groß weh. Fahrradstraßen sind außerdem ein wichtiger Baustein, um den Radfahrern zu signalisieren: Ihr seid wichtig, ihr bekommt Platz. In ganz München macht der Radverkehr inzwischen 18 Prozent des gesamten Verkehrs aus, 2008 waren es noch 14 Prozent. Bei den Millionenstädten liegen wir damit an der Spitze, vor Hamburg, Berlin und Köln.

Aber über den Begriff "Radlhauptstadt" wird ja nicht von ungefähr gelästert.
Das stimmt. Wenn man über den Tellerrand schaut, sieht man natürlich Städte, die vorbildlich sind: Münster, Freiburg, Bremen. Aber eben auch die, in denen es deutlich schlechter läuft als in München.
Immer wieder ist von "Radl-Rambos" zu lesen. Ein Mythos?
Das Thema taucht gerne im Sommer auf, wenn es sonst nicht viel zu berichten gibt. Ganz ehrlich: Verkehrsteilnehmer, die sich daneben benehmen, gibt es überall - unter Fußgängern, Autofahrern und Radfahrern. Die sogenannten Rad-Rambos sind häufig Zeichen für fehlenden Platz und fehlende Rad-Infrastruktur.