Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Münchner wollen nicht auf das Auto verzichten

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Von Andreas Schubert, München

Es sind Tatsachen, die in der jüngsten Zeit rauf und runter diskutiert werden: Die Luft in München ist zu dick, der tägliche Stau kostet die Menschen Zeit und Nerven. Nirgendwo ist das aktuell besser zu beobachten als am Sendlinger Tor. Die dortige Baustelle verursacht, trotz Ferienzeit, zur Hauptverkehrszeit Stillstand auf der Straße.

Und es ist ja nicht so, dass man sich in der Stadt keine Gedanken darüber machen würde, wie man den ausufernden Autoverkehr eindämmt oder zumindest halbwegs in den Griff bekommt. Fakt ist aber, dass die Zahl der Autos in der Stadt trotz aller Probleme weiter steigt. Zum Stichtag 31. Dezember 2016 verzeichnete die Zulassungsstelle 709 555 in München angemeldete Pkw. Das sind 15 032 mehr als im Jahr davor - und 48 716 mehr als vor fünf Jahren. Und seit Anfang dieses Jahres sind noch einmal mehr als 6000 Autos dazugekommen (Stand: Ende März).

Bemerkenswert ist, dass ein großer Teil der zum Jahresende zugelassenen Autos, nämlich genau 295 314, Diesel waren. Deren Zahl ist seit dem Jahr 2012 um 47 662 gestiegen. Immerhin sind deutlich mehr als die Hälfte der Dieselfahrzeuge schon in die aktuell strengste Abgasnorm Euro 6 eingestuft. Das heißt aber nicht, dass dadurch die Belastung der Stadt durch das giftige Abgasprodukt Stickstoffdioxid (NO₂) ungefährlich ist.

Erst vor kurzem bescheinigte eine Greenpeace-Studie der Stadt München unter 14 untersuchten Städten den zweitschlechtesten NO₂-Durchschnittswert nach Stuttgart. Der liegt in München bei 46 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, bei den Schwaben bei 64,25 Mikrogramm. Als unbedenklich stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO einen jährlichen Durchschnittswert von 20 Mikrogramm ein. Ob bei der in diesem Zusammenhang geführten Debatte um Dieselfahrverbote weiter so viele Diesel zugelassen werden wie in der Vergangenheit, wird sich erst Ende des Jahres zeigen, wenn die Zulassungszahlen für 2017 vorliegen.

Immerhin schaffen sich mehr Münchner emissionsfreie Fahrzeuge an: 1708 Elektroautos gab es Ende 2016 in der Stadt. Ein Jahr davor waren es 1348. Das entspricht einer Steigerungsrate von mehr als einem Viertel, der bei den Autos mit Verbrennungsmotoren eine Steigerung von knapp 2,2 Prozent gegenübersteht. Hört sich zunächst gut an, für die Umwelt entscheidend sind aber die absoluten Zulassungszahlen. Und hier dominieren eben nach wie vor die Verbrennungsmotoren, die zum Beispiel auch einen entscheidenden Anteil am Kohlendioxid-Ausstoß der Münchner haben. Der liegt pro Kopf und Jahr bei 7,6 Tonnen.

Bei den Menschen muss ein Umdenken einsetzen

Schaut man sich das Bevölkerungswachstum Münchens in den vergangenen fünf Jahren an (plus 106 000), so hat rein rechnerisch jeder zweite zusätzliche Münchner auch ein zusätzliches Auto mitgebracht. Erst Ende des Jahres wird es neue Zahlen geben, wie hoch der Anteil der jeweiligen Verkehrsmittel an der gesamten Mobilität der Münchner ist. Die jüngsten, aus dem Jahr 2011 stammenden Daten sagen aber, dass das Auto mit mehr als 30 Prozent den höchsten Anteil hat, der Radverkehr dagegen nur etwa 18 Prozent.

Verkehrsexperten und Politiker sind sich einig, dass es so nicht weitergehen kann. Fraktionsübergreifend wollen die Stadträte das Angebot an Alternativen zum Auto ausbauen, mit besseren Bedingungen für Radler und einem besseren öffentlichen Nahverkehr. Fachleute wie Carl Friedrich Eckhardt, der sich bei BMW mit der Mobilität der Zukunft beschäftigt, gehen noch weiter. Wie auch die Verkehrsplaner der Stadtverwaltung, vertritt Eckhardt die Meinung, dass bei den Menschen ein Umdenken einsetzen muss. Dazu müssten aber Anreize geschaffen werden, keine Verbote. Ein deutlicher Ausbau des Carsharing-Angebots etwa würde die Zahl der privaten Pkw deutlich senken.

Freilich gibt es auf Seiten der Verkehrsplaner auch die Idee, die Parkgebühren nach oben zu schrauben. Doch das lehnt etwa Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) als Sozialdemokrat ab, ebenso eine City-Maut. Zu ungerecht, so sein Befund. Besserverdienende würden sich nicht von solchen Gebühren abschrecken lassen. Für den OB hat der öffentliche Nahverkehr, wie er sagt, absoluten Vorrang.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2017
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