Verhülltes München:Das große Verhängnis

Gerüste und Verhüllungen statt Sehenswürdigkeiten: München ist für die vielen Touristen gerade kein sehr schöner Anblick - und so mancher Einheimische erkennt vor lauter Plastikplanen die Gebäude der Stadt nicht mehr.

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VERHUELLTES Muenchen

Quelle: JOHANNES SIMON

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Gerüste und Planen statt Sehenswürdigkeiten: München ist für die vielen Touristen gerade kein sehr schöner Anblick.

Die Reisekatalog-Prosa spricht gerne von "dynamischen, aufstrebenden Ferienorten", um Baugruben, Presslufthämmer und das nervenzerreibende Mahlen von Betonmischern mit blumigen Worten zu veredeln. Meist widmen sich solcherlei Verschönerungen gesichtslosen Bettenburgen am Mittelmeer und nicht den traditionsreichen Stadtkernen des Alten Europa. Doch schnörkelige Euphemismen können die staubige Bauwut in der Münchner Innenstadt derzeit nicht überdecken. Sind doch selbst Ohren- und Mundschutz nutzlos gegen den Lärm und Staub, der mit sanftem Sommerwind in die Fußgängerzone weht.

Die neue München-Regel ist einfach formuliert: Was schön ist, hängt hinter Plastikplanen und sonstigen Verhüllungen - mit und ohne Fototapetenaufdruck dessen, was der Städtereisende (oder Münchner) eigentlich gerade ansehen wollte.

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Und das zur besten Ferienzeit. Altes Rathaus, Residenz, Jesuitenkirche, Schloss Nymphenburg, Lenbachhaus, Maendler-Haus. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die berühmten Türme der Frauenkirche (im Bild) gar dürften in den nächsten fünf Jahren überhaupt nicht mehr hüllenlos vor Augen und Fotolinsen treten: Ende 2012 ist der Nordturm fertig, der Südturm folgt, dann der Rest.

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Um so rührender, wie mancher Tourist, fast immer aus Fernost, sich abmüht, seine Lieben so vor den Baudenkmälern zu drapieren, dass die Baustellenschilder und aufgedruckten Werbeplakate das Souvenir für zu Hause nicht gänzlich zunichtemachen. Auf Fotoabenden lässt sich mit Münchner Stadtansichten in Peking oder Tokio trotzdem in den nächsten Monaten kein Staat machen.

im Bild: die Residenzpost

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Das sieht auch die Münchner Tourismus-Chefin Gabriele Weishäupl so. Die Baustellen seien deutlich sichtbar, die Stadt präsentiere sich "nicht zu ihrem Vorteil". Weishäupl fühlt sich an den alten, an Karl Valentin angelehnten Spruch erinnert: "Reißt die Straßen auf, die Touristen kommen!" Auch an den Schaltern des Tourismusamtes müssten die Mitarbeiter traurige Touristen trösten, die eigentlich keinen Urlaub auf der Baustelle gebucht hatten.

im Bild: Maximilianstraße

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Warum alles gleichzeitig? Das Baureferat habe darauf keinen Einfluss, sagt eine Sprecherin. Es sei nur für die Sanierung des Daches am neuen Rathaus, die Fassade des Alten Rathauses und eine Brunnensanierung zuständig. Ähnlich die Auskunft des Kreisverwaltungsreferats: Zuständig sei man nur für eigene Baustellen, und da bemühe man sich zu entzerren. Wenn Privatleute ihre Häuserfassaden sanierten, bräuchten sie nur dann eine Genehmigung, wenn öffentlicher Grund mitbetroffen sei. Eine Höchstgrenze aus optischen, touristischen Gründen zu verhängen, das sei rechtlich nicht möglich, heißt es.

Im Bild: das exklusive Palais an der Oper in der Alten Residenzpost

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Auch wenn es wirkt, als hätten sich gerade sämtliche Bauheiligen gegen die Flaneure verschworen: Mancher Sanierungsfall ist ein Langzeitprojekt, das nun mit kurzfristigeren Projekten zusammenfällt. Für 13,5 Millionen Euro saniert die bayerische Schlösserverwaltung bis Mitte 2013 beispielsweise die Fassade der Residenz (im Bild), derzeit ist der Südteil dran. Neben der denkmalpflegerischen Instandsetzung gehe es "um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr". Denn dem Gebäude fallen die Kunststeinplomben aus dem Sandstein, die nach dem Krieg die Fassaden kitteten. Die Residenz ist also sozusagen beim Zahnarzt. Und gegen den Zahn der Zeit ist man machtlos.

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In dem runden Altbau an der Theatinerstraße, Ecke Maffeistraße, residiert das Modehaus Maendler, ehemals Königlich Bayerischer Hoflieferant. Jetzt ist nicht nur das Gebäude unter einer Fotoplane verborgen, sondern auch das Gleisbett vor der Tür aufgegraben - was wenig königlich anmutet.

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Darauf kommt auf Anhieb auch nicht jeder: Hinter dieser Plane verbirgt sich ein sehr geschätztes Kunstmuseum. Es ist die Villa Franz von Lenbachs, die 120 Jahre nach der Fertigstellung saniert werden muss. Zum Museum gehört der Kunstbau - und dort, im Untergrund, bleibt einem dieser Anblick erspart.

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Seit 2008 wird am Nymphenburger Schloss saniert: Noch bis Jahresende werden an der Ostfassade des Mittelbaus Gemäuer und Fenster für etwa 300000 Euro erneuert, heißt es bei der Bayerischen Schlösserverwaltung. Ein Sommer-Baustopp würde die Planung unsicherer und teurer machen. Während touristisch attraktiver Monate die Fassaden zu verhüllen, sei aber keinesfalls Absicht.

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Der lauteste Abschnitt der Bummelzone: Wie nach einer Explosion klafft die gewaltige Baugrube an der Neuhauser Straße 19 bis 21. Hier stand der Karstadt am Dom. Bis Ende 2013 baut die Schörghuber-Gruppe das "Joseph Pschorr Haus". Dahinter, ebenfalls verhüllt, die Jesuitenkirche St. Michael. Hier flaniert es sich im Rhythmus der Schlagbohrer.

© Katja Riedel/SZ vom 24.8.2011/sonn
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