Verhandlungen über Rathauskoalition:Mehr Nähe als Distanz

Frühling in München, 2014

Noch immer gibt es keine Mehrheit im Münchner Rathaus. An diesem Montag sollen die Verhandlungen mit der CSU beginnen.

(Foto: Robert Haas)

Auf der Suche nach einer Mehrheit im Münchner Rathaus verhandeln SPD und Grüne nun mit der CSU. Die Unterschiede zwischen den Parteien sind durchaus überbrückbar - und nicht immer verläuft die Trennlinie zwischen Rot-Grün und Schwarz.

Von Silke Lode

Den nächsten Versuch, eine stabile Mehrheit im Rathaus zu finden, startet Rot-Grün-Rosa an diesem Montag. Da dem langjährigen Bündnis bisher alle möglichen Partner weggebrochen sind, beginnen nun Verhandlungen mit der CSU. "Ich stelle mich nicht auf kurze Gespräche ein", sagt CSU-Spitzenmann Josef Schmid, der nach seinem Mauritius-Urlaub frisch erholt wieder in München eingetroffen ist. Da die Bürgermeisterwahl bis Ende Mai aufgeschoben werden könne, müsse man sich so lang auch für die Gespräche Zeit nehmen. "Ich will wirklich in die Tiefe steigen", kündigte Schmid an. Auch der bisherige SPD-Fraktionschef, Alexander Reissl, hält es nicht für ausgeschlossen, dass sich die Dreierverhandlungen ziehen: "Vielleicht wird es ganz einfach, vielleicht dauert es zwei Monate, vielleicht geht es gar nicht", sagte er. "In München hat damit niemand Erfahrung."

Wie eine Kooperation zwischen SPD, CSU und den Grünen aussehen könnte, kann sich bisher kein Spitzenpolitiker der drei Parteien genau vorstellen. Einigkeit herrscht darin, dass es wohl keinen detaillierten Koalitionsvertrag geben wird. Schmid stellt sich eine "schriftliche Sachvereinbarung" vor, die aber keine einseitigen Vorschlagsrechte bei Posten mit Ausnahme der Bürgermeister beinhaltet. Für Alexander Reissl ist eine Vereinbarung zur Haushaltsaufstellung zwingend, "das ist entscheidend um politisch handlungsfähig zu bleiben".

Bei vielen Sachthemen sind die Unterschiede zwischen Parteien längst nicht mehr so groß wie noch vor einigen Jahren - der kontroversenarme Wahlkampf hat das eindrücklich gezeigt. Ein Überblick über Schnittmengen und Konfliktpotenziale zwischen SPD, CSU und den Grünen.

Verkehr

Der schwierigste Themenbereich für die drei Parteien. Schon SPD und Grüne haben sich in der Vergangenheit über die Verkehrspolitik immer wieder zerstritten. Zwar haben alle Parteien im Wahlkampf propagiert, dass sie den öffentlichen Nahverkehr und die Radwege ausbauen wollen, selten sind sie sich jedoch über konkrete Projekte einig. Der Streit um einen Radweg an der Rosenheimer Straße etwa gilt als Symbol für die Grundsatzfrage, wie der Straßenraum aufgeteilt werden soll. Die Grünen sind bei SPD und CSU als Feinde der Autofahrer verschrien, die CSU gilt als Benzinfraktion, in der SPD gibt es unterschiedliche Tendenzen. Das findet auch Ausdruck in der recht schwammigen Haltung der Genossen zu neuen Straßentunneln, die die CSU vehement fordert. Die Grünen hingegen warnen vor den Kosten solcher Projekte.

Völlig unterschiedlich stehen CSU, SPD und Grüne zum Ausbau des Tramnetzes. Die CSU ist strikt gegen die geplante Westtangente entlang der Fürstenrieder Straße. Auch den neuen Stadtteil Freiham will Josef Schmid lieber mit einer U-Bahn anbinden. Recht gut stehen die Chancen, dass sich alle Parteien auf eine Verlängerung der U 5 nach Pasing einigen können, eventuell auch auf die Innenstadt-Entlastungslinie U9. Für die Verbindung von U 2 und U 6 könnte ein Prüfauftrag eine Kompromisslösung sein.

Die zweite Stammstrecke kann bei den Gesprächen zur Not ausgeklammert werden: Sie ist zwar eines der wichtigsten Verkehrsprojekte, doch für ihre Finanzierung ist die Stadt nicht zuständig, das ist Sache von Land und Bund. Ein Randthema bleibt wohl auch der Flughafen: Zu einem klaren Ja zu einer dritten Startbahn konnte sich seit dem Bürgerentscheid ohnehin keine Partei durchringen. Für die Grünen sind auch Fußgänger ein wichtiges Thema: In der Vergangenheit haben sie hart mit der SPD um weitere Fußgängerzonen gerungen - Dieter Reiter signalisierte zuletzt sein Entgegenkommen. Ob die CSU da mitzieht, ist jedoch fraglich.

Wohnen, Bildung, Kliniken und mehr

Wohnen

Differenzen finden sich hier allenfalls im Detail, über die großen Linien herrscht Einigkeit: In München muss mehr gebaut werden, und zwar schnell. Vor allem die CSU fordert deshalb mehr Personal für die Verwaltung - und stößt damit kaum noch auf Widerstand. Umstrittener dürfte die CSU-Forderung sein, auch zahlreiche Vorschriften zu streichen, die Stellplatzsatzung für Fahrräder zum Beispiel. Die hat Rot-Grün aber gerade erst beschlossen. Genossenschaften und Baugemeinschaften wollen alle drei Parteien fördern, zum Beispiel über die Grundstückspolitik. Beim Schutz bestehender Mietwohnungen ist inzwischen selbst die CSU für Erhaltungssatzungsgebiete und Umwandlungsverbote. Auf Ablehnung bei Rot-Grün stößt hingegen das kommunale Wohngeld in München, das die CSU einführen will - bei SPD und Grünen steht dieses Instrument aber im Ruf, eine Subvention für Vermieter zu sein. Einig sind sich alle Parteien zwar, dass auch in bestehenden Wohnvierteln nachverdichtet werden muss. Umstritten ist jedoch, wie stark auch die Gartenstädte von dieser Entwicklung betroffen sein sollen. Die sind vor allem der CSU ein Anliegen, die dort ihre Hochburgen hat.

Bildung

Für die Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen wird die Stadt in den kommenden Jahren große Summen in die Hand nehmen müssen. Mehrere Dutzend Gymnasien, Real- und Grundschulen müssen in den nächsten Jahren neu gebaut werden, neue Kitas winkt der Stadtrat längst nur noch durch. Die CSU hat auch die bestehenden, teils maroden Schulgebäude zu einem großen Thema im Wahlkampf gemacht. Zank gibt es darum aber nicht: Sanieren wollen alle. Diskussionsbedarf gibt es trotzdem, denn einig sind sich die Parteien schon länger. Es hapert aber an der Umsetzung - die CSU fordert deshalb Reformen im Bildungsreferat.

Kultur

In kaum einem Politikbereich fallen so viele Entscheidungen einstimmig. Für Debatten könnte vor allem ein neuer Konzertsaal sorgen, dem die SPD unter Christian Ude eher ablehnend gegenüberstand. Die CSU wünscht sich den Saal, die Grünen haben zu dem Thema nie eine klare Position entwickelt. Ihnen liegt ein anderes Thema am Herzen, bei dem die anderen Parteien noch zögern: die Grünen wollen, dass in München auch Stolpersteine zur Erinnerung an verfolgte Juden verlegt werden dürfen.

Soziales

Im Sozialausschuss ist die Harmonie zwar nicht ganz so groß wie im Kreis der Kulturpolitiker. Doch die vielen Projekte und freiwilligen Leistungen, die die Stadt im Sozialbereich bietet, werden meist von SPD, CSU und Grünen geschlossen befürwortet. Fraglich ist, ob CSU und Grüne nochmals einen Vorstoß für rein städtische Jobcenter machen. Die SPD hat sich dagegen bislang gesträubt und hat in München den Bund mit im Boot behalten.

Kliniken

Über die Zukunft der städtischen Krankenhäuser müssen sich die potenziellen Partner besonders schnell einig werden - eigentlich sollte der Stadtrat noch im Mai das neue Sanierungskonzept beschließen. Doch die CSU bezweifelt, dass der vorgeschlagene radikale Schrumpfkurs der richtig Weg ist. Sie will zumindest prüfen lassen, ob die Krankenhäuser in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und an der Thalkirchner Straße nicht auch durch Wachstum wieder auf eine solide Basis kommen können. Immerhin in einem Punkt sind sich alle Parteien einig: Privatisieren will das Stadtklinikum niemand.

Bürgerbeteiligung

Wenn es in den vergangenen Jahren um Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung ging, waren die Grünen der CSU stets näher als der SPD. Die Informationsfreiheitssatzung oder eine Live-Übertragung des Stadtratsplenums im Internet würde es ohne Unterstützung von CSU und FDP bis heute nicht geben. Den Grünen sind solche Themen eine Herzensangelegenheit, auch die CSU hat sie im Wahlkampf immer wieder hoch aufgehängt. Fraglich ist, welche Rolle diese Frage im Schatten von Großthemen wie Verkehr oder Wohnen spielt.

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